Interner Streit kommt in allen Parteien vor. Auch möchte mancher Politiker den eigenen Parteikollegen oder die eine Parteikollegin gern mal loswerden. Und dennoch: Was Jörg Meuthen, der gemeinsam mit Tino Chrupalla die AfD führt, nun vorgeschlagen hat, ist ein äußerst ungewöhnlicher Vorgang: Ihm wäre es am liebsten, wenn der rechtsextreme Flügel um Björn Höcke aus Thüringen und Andreas Kalbitz aus Brandenburg sich von der AfD trenne, hat er in einem Interview mit der Onlineplattform "Tichys Einblick" erklärt. Denn, so Meuthen: "Jeder weiß, dass der Flügel und dessen maßgebliche Exponenten uns ganz massiv Wählerstimmen im bürgerlichen Lager kosten, und ich denke auch, dass die ordoliberalen Ansichten des bürgerlich-konservativen Teils der AfD noch bessere Ergebnisse im staatspaternalistischen Wählermilieu des Flügels verhindern." Etwas flapsig übersetzt heißt das: Ihr Völkisch-Nationalen, haut ab, wir mögen euch im bürgerlichen Westen nicht, holt eure Stimmen allein im Osten.

Jörg Meuthen zählt parteiintern zu den größten Kritikern des Flügels.
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Meuthen stammt aus Baden-Württemberg, er zählt parteiintern zu den größten Kritikern des Flügels, der vor allem in den ostdeutschen Bundesländern stark abschneidet. Rund 7.000 Personen sollen dem 2015 gegründeten Flügel angehören, den es formal gar nicht mehr geben soll. Denn nachdem der Verfassungsschutz im März bekanntgegeben hatte, den Flügel wegen seiner rechtsextremen Tendenzen unter Beobachtung zu stellen, forderte die AfD-Spitze den Flügel auf, sich aufzulösen. Höcke erklärte daraufhin, dem Wunsch nachkommen zu wollen. Er und Kalbitz baten die "Flügelianer", "bis zum 30. April ihre Aktivitäten im Rahmen des Flügels einzustellen".

"Einvernehmliche Trennung"

Von einer Spaltung direkt spricht Meuthen jetzt natürlich nicht, vielmehr von einer "einvernehmlichen Trennung" in zwei Parteien. Denn damit ließen sich seiner Ansicht nach "mehr und nicht etwa weniger Wähler" erreichen als in der "derzeitigen, wenn man einmal ehrlich ist, permanent konfliktträchtigen Konstellation". Sein Rat an die Partei: Man solle diese Möglichkeit in Betracht ziehen statt "wie alte Sozialistenkader permanent das Hohelied der Einigkeit zu singen, wo man Einigkeit in vielen Politikfeldern selbst mit der Lupe suchend kaum wird erspähen können".

Meuthens Vorstoß löst in der AfD massive Unruhe aus. Diese ist ohnehin nervös – wegen der Beobachtung des Flügels durch den Verfassungsschutz und wegen der fallenden Umfragewerte in Corona-Zeiten. "Wer eine Diskussion über die Zukunft der Partei anstoßen will, der tut dies erstens in den zuständigen Gremien und zweitens ergebnisoffen", kritisiert Meuthens Co-Chef Chrupalla, ein Malermeister aus Sachsen, der sich – ebenso wie Bundestagsfraktions-Chefin Alice Weidel – mit dem Flügel arrangiert hat.

"Menschlich enttäuscht"

Chrupalla erklärte auch, er sei "menschlich enttäuscht" von Meuthen. Auch AfD-Ehrenvorsitzender Alexander Gauland meint: "Die Überlegungen von Jörg Meuthen sind wenig zielführend und extrem unpolitisch." Höcke selbst nannte die Äußerungen Gaulands "töricht und verantwortungslos". Die AfD sei die Kraft der Einheit, eine Abspaltung wäre ein "Zeichen des Scheiterns". Chrupalla, Weidel und Gauland rufen vielmehr in einer gemeinsamen Botschaft dazu auf, "mit vereinten Kräften für unser Land" zu kämpfen.

Auffällig: Meuthen, der eigentlich zum Führungsquartett gehören würde, ist nicht dabei. Dementsprechend geht der Dank auf der Facebook-Seite des Flügels auch nur an die drei zurück: "Wir lassen uns nicht spalten! Danke." Und in der Partei wird etwas anderes diskutiert: Ob nämlich Meuthen nach diesem Vorstoß seinen Posten an der Parteispitze verlieren könnte. (Birgit Baumann, 3.4.2020)