Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP, Mitte) und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ganz rechts) mit drei Adlern: Peter Grüner, Alois Schranz und Klaus Mark

Foto: Adler Runde/Berger

Berge, Menschen, Kulinarik: So wirbt der Tiroler Tourismus um Gäste. Mit unberührter Natur der Alpengipfel, glücklichen Skifahrern und zünftigen Wirten, die regionale Schmankerln servieren. Das heile Bild sorgt jährlich für Millionen Übernachtungen, pro Kopf ist Tirol im Tourismus einer der Spitzenreiter in Europa.

Berge, Menschen, Kulinarik: Unfreiwillig hat in den vergangenen Wochen ein anderes Bild dominiert. Von Menschen, die "ihre" Berge um jeden Preis zu Geld machen, und die unter "Kulinarik" dicht bevölkerte Après-Ski-Bars verstehen, in denen sich betrunkene Touristen mit dem Coronavirus infizieren und dieses nach ganz Europa verbreiten.

Es sind zwei Seiten einer Medaille: Der Tourismus sorgt für zahlreiche Jobs, fast jeder 14. Arbeitsplatz in Österreich hängt an dieser Branche, in Tirol fast jeder vierte. Mit 13,8 Übernachtungen pro Einwohner – davon mehr als ein Drittel in Tirol – wird Österreich europaweit nur von Kroatien und Zypern geschlagen.

In Skiliften, Wellness-Resorts und Après-Ski-Bars steckt viel Geld. Und wenn es in Tirol um viel Geld geht, landet man immer bei der Adlerrunde. Der 2003 gegründete "lose" Zusammenschluss von Tiroler Unternehmern will eine "Schnittstelle für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft" sein. Hier kommt der alpine Geldadel zusammen, um seine Interessen zu vertreten. Das tut er lautstark und selbstbewusst: Am 1. Juli 2017, mitten im Nationalratswahlkampf, platzierte die Adlerrunde ein ganzseitiges Inserat in der Tiroler Tageszeitung. Sie forderte einen Zwölf-Stunden-Arbeitstag, eine Sechzig-Stunden-Woche, die Senkung der Körperschaftssteuer, Erleichterungen bei Betriebsübergaben an den Nachwuchs und die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge.

Die spätere türkis-blaue Regierung war dabei, all diese Wünsche zu erfüllen, bevor sie vom Ibiza-Video gesprengt wurde. "Es gibt in anderen Bundesländern auch solche Vereinigungen, zurzeit wird die Adlerrunde ein bisschen mystifiziert", sagt ein ehemaliger türkiser Minister. Aber: "Die Tourismusbranche kann schon auf den Tisch hauen, und in Tirol herrschen dort fast autokratische Strukturen."

Die Adlerrunde liefert nicht nur Ideen, sondern auch Wahlkampffinanzierung. Mehr als eine Million Euro floss in den vergangenen Jahren in Richtung ÖVP. Am spendabelsten zeigte sich der Tiroler Baulöwe Klaus Ortner, allein 2018 überwies seine IGO Industries 430.000 Euro. Familie Ortner ist bestens vernetzt, Tochter Iris Ortner wurde von Türkis-Blau in den Aufsichtsrat der Österreichischen Beteiligungs AG (Öbag) bestellt.

Touristiker als Parteispender

Zwar sind die Ortners vor allem im Baugewerbe tätig, aber als echte Tiroler haben sie auch mit dem Tourismus zu tun: Der Ortner Ges.m.b.H. gehören 6,6 Prozent an der Aqua Dome Tirol Therme Längenfeld. Der Wellnesstempel ist gemessen am Umsatz die Nummer zwei unter den Tiroler Hotels.

Ebenfalls am Aqua Dome beteiligt: die Skiliftgesellschaft Sölden Hochsölden, die vom Miteigentümer Jakob Falkner geführt wird – und im Wahlkampfjahr 2017 genau 12.000 Euro an die ÖVP überwies. Der Touristiker Falkner ist ebenso in der Adlerrunde wie der "Speckkaiser" Karl Handl und der Ischgler Hotelier Johann von der Thannen. Gemeinsam führen beide das Trofana Erlebnisdorf, das 14.800 Euro an die ÖVP überwies. Handl Tyrol spendierte weitere 45.000 Euro; die Rathaus Passage GmbH des Seilbahners Hans Rubatscher, an der die Stadt Innsbruck beteiligt ist, 8400 Euro. Die Liste lässt sich fortführen; zusammengezählt ein beträchtlicher Betrag für die Parteikasse.

Mehr als die Hälfte der fast 50 Mitglieder der Adlerrunde hat in der einen oder anderen Form mit dem Tourismus zu tun: Berge, Menschen, Kulinarik.

Wer als Hotel- oder Bergbahnbesitzer nicht direkt vom Saisonabbruch betroffen war, ist es später indirekt. Halb Tirol hängt am Tropf des Tourismus. In einem Jahr generieren Reisende im "Herzen der Alpen" einen Umsatz von 8,4 Milliarden Euro. Jeden Tag geben Wintergäste pro Person 186 Euro aus. Kurzum: Jeder Tag zählt – auch wenn man zum Zentrum einer Epidemie zu werden droht, wie beispielsweise in Ischgl.

Zu den Hauptanliegen der Adlerrunde gehört "das rechtzeitige Erkennen globaler Trends und Herausforderungen". Ende Februar konnte man befürchten, dass die Herausforderung Coronavirus eine globalen Maßstabs werden würde: Zu diesem Zeitpunkt war das Virus bereits in Italien angekommen. Am 18. Februar trafen sich Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck in Innsbruck mit der Adlerrunde. Das Treffen war "nicht medienöffentlich", Informationen dazu verbreitete nur die PR-Agentur der Adlerrunde. Das Virus sei beim Treffen kein Thema gewesen.

Covid-19 verbreitete sich zu diesem Zeitpunkt schon längst in Tirol. Ein erster Verdachtsfall hatte sich Ende Jänner auf der Dortmunder Hütte im Kühtai ereignet. Dort urlaubte eine Deutsche, die nach ihrer Heimkehr positiv getestet wurde. Kurze Zeit später kursierten erste Gerüchte über infizierte Touristen und Saisonarbeiter im Oberland. Anfang März warnten Norwegen und Island offiziell vor dem "Hotspot" Ischgl, in dem wochenlang unbeeindruckt weitergewedelt und -gefeiert wurde.

Ein Adler im Krisenstab

Hat die Adlerrunde als wichtigste Wirtschaftslobby des Landes Druck ausgeübt, die Saison nicht für beendet zu erklären? Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) glaubt "persönlich" nicht, dass Unternehmer Einfluss auf die Entscheidungen nahmen. Bekannt ist allerdings ein Schreiduell zwischen Landeshauptmann Günther Platter und dem Nationalratsabgeordneten sowie Adlerrunde-Intimus Franz Hörl (beide ÖVP) am 12. März, einen Tag bevor das Paznaun unter Quarantäne gestellt wurde.

Die Adlerrunde mischt mittlerweile auch beim Krisenmanagement mit: Ihr Vizepräsident Alois Schranz wurde als medizinischer Berater in den Krisenstab des Landes berufen. Schranz erarbeitete sich einen Ruf als exzellenter Unfallchirurg. Seit 2002 ist er vor allem Geschäftsmann und betreibt die Medalp-Privatkliniken in Imst, Sölden und Mayrhofen, die sich vor allem um Skiverletzungen kümmern. Und er hat beste Geschäftsverbindungen nach China, wo er dringend benötigtes medizinisches Material für Tirol organisiert hat. "Ehrensache. Außer Telefonkosten hatte ich davon gar nichts", sagt Schranz.

Wovon er allerdings etwas hat, ist das Zur-Verfügung-Stellen seiner Klinik in Imst. Seit dem abrupten Ende der Wintersaison ist in den Medalp-Kliniken wenig los. Jene in Sölden ist seit 17. März geschlossen, in Mayrhofen werden nur noch dringende Fälle behandelt, und Imst wurde eben zum Corona-Ersatzquartier, weil im Krankenhaus Zams der Platz knapp wird. Dafür erhält die Medalp Geld vom Land, so wie alle Einrichtungen – derzeit zwei –, die mit Ersatzbetten einspringen.

Eine Unvereinbarkeit zwischen seiner Rolle im Krisenstab und jener als Privatklinikbetreiber sieht Schranz nicht: "Wir sind vom Krankenhaus Zams gefragt worden, ob wir die Medalp zur Verfügung stellen könnten." Mit seiner Rolle in der Adlerrunde habe das Ganze nichts zu tun, bekräftigt er. Überhaupt sei die "nicht so mächtig" wie nun oft dargestellt.

Das sieht Tirols SPÖ-Chef Georg Dornauer anders. Durch seine Privatkliniken hänge Schranz direkt vom Tourismus ab und sei deshalb Vizepräsident der für den wirtschaftlichen Einfluss auf die Tiroler VP zum Symbol gewordenen Adlerrunde. Schranz, ein persönlicher Freund Platters, führe diese "knallharte Interessengruppe" an, sagt Dornauer: "Er passt somit gut in das System." (Steffen Arora, Fabian Schmid, 3.4. 2020)