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Der große Songwriter und funky average guy Bill Withers ist mit 81 Jahren an Herzversagen gestorben.

Foto: AP

Es muss nicht immer die Geschichte vom Tellerwäscher sein, der Millionär wird. Im Falle des Bill Withers war es ein Fabriksarbeiter, der an einem Tag noch Klos in Flugzeuge einbaute und am nächsten in der größten Unterhaltungsshow des US-amerikanischen Fernsehens auftrat, der "Ed Sullivan Show".

Erst nach der Ausstrahlung kündigte er seinen Job, so wenig vertraute er dem Showbusiness. Bill Withers wurde in den frühen 1970ern ein Star und blieb es bis in die 1980er hinein. Seine Songs wurden dutzende Male gecovert, hundertfach gesampelt. Mit Titeln wie Ain't No Sunshine, Lean on Me, Use Me oder Just the Two of Us wurde er ein Weltstar, bis er beschloss, dass es reichte. Am Freitag ist Bill Withers nun mit 81 Jahren gestorben.

Withers war ein ungewöhnlicher Typ. Ins Business gelangte er mit 33, damals hatte er einen sicheren Job und schrieb nebenbei Songs. Davon bekam Clarence Avant Wind. Der war ein großer Strippenzieher, die Netflix-Doku The Black Godfather erzählt seine Geschichte.

Talent für Talente

Avant hatte ein Talent für Talente. Er vermittelte Withers an Booker T. Jones, der in den 1960ern mit der Soulband Booker T. & The M. G.s berühmt geworden war. Booker möge sich den Mann anhören. Das tat er. Noch während ihm der Fremde in seinem Wohnzimmer den ersten Song vorspielte, fing Jones an zu telefonieren. Er bestellte Kollegen wie Stephen Stills, Jim Keltner oder Donald "Duck" Dunn und buchte ein Studio in den nächsten Tagen. Als Withers dann dort eintraf, fragte er, wer seine Songs denn singen würde. Jones sagte: "Du, Bill."

1971 erschien das Resultat dieser Session. Withers' Debütalbum Just As I Am landete mit Ain't No Sunshine einen Smash-Hit, einen Instant-Klassiker. Das Coverbild zeigt ihn an der Mauer seiner Fabrik lehnen, die blecherne Lunchbox in der Hand.

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Es war die hohe Zeit des Funk und Soul. Withers erfüllte diese Genres, war aber eigentlich ein Songwriter. Einer, der nicht den üblichen Boy-loves-girl-Käse besang, sondern über die Hände seiner Großmutter (Grandma's Hands) oder Sommernächte in New York (Harlem).

Nerv getroffen

Damit traf er einen Nerv beim Publikum. Wovon er erzählte, war der Alltag für viele. Withers brachte diese Songs mit der Autorität des Authentischen dar, war ein Jeans-und-T-Shirt-Typ. Der Drummer der Hip-Hopper The Roots, ?uestlove, nannte ihn den schwarzen Bruce Springsteen. Dermaßen im Sein verankert, hatte er zeitlebens seine Probleme mit dem Schein des Showbusiness.

Withers wurde am 4. Juli 1938 in Slab Fork in West Virginia geboren. Ein Kaff in Hillbilly USA, wo Kohle abgebaut wurde. Der bis in seine Zwanziger hinein schwer stotternde Mann sah sich dort nicht alt werden. Er ging zuerst zur Armee, 1967 nach Los Angeles, wo er in der Flugzeugindustrie landete. Sein spät überwundenes Stottern sah er als lebenslangen Auftrag an, ebenfalls davon Betroffenen zu helfen.

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1972 legte er nach. Er veröffentlichte auf Clarence Avants Label Sussex. Der hatte damals auch Sixto Rodriguez entdeckt, der als Sugarman erst Jahrzehnte später Weltkarriere machen sollte. Pragmatisch, wie Withers war, nannte er das Folgealbum Still Bill – immer noch der Alte. Das Werk wartete mit Lean on Me und dem Funk-Klassiker Use Me zwei weitere Millionseller auf. Sein drittes Album war ein Live-Dokument, das ihn in der ausverkauften Carnegie Hall in New York präsentierte. Ein weiteres nahm er für Avant auf, dann ging Sussex bankrott, und Withers unterschrieb bei Columbia.

"Blacksperts"

Dort blieb er mit größer werdendem Missfallen bis 1985. Seine Songs wurden zwar regelmäßig Hits, doch die Forderungen des Labels an den Star mochte er immer weniger erfüllen. Zu viel Schein. Er klagte über die "Blacksperts" – weiße Musikbusiness-Gestalten, die ihm erzählen wollten, wonach das schwarze Publikum dürstete.

kaattz

Er versuchte sich treu zu bleiben. Was das bedeutete, zeigen Auftritte in Fernsehshows, die man auf Youtube anschauen kann. Da sieht man einen Top-Ten-Artist mit einem Gesichtsausdruck wie 20 Jahre Sodbrand singen. 1985 erschien mit Watching You Watching Me sein letztes vertragserfüllendes Album, dann hatte er genug.

Er kehrte dem Geschäft den Rücken, sah, wie sich seine Kunst über die Jahrzehnte behauptete, in den Status der Evergreens und Klassiker überging und im Hip-Hop eine immense Renaissance erlebte. Die Kassa klingelte beständig. Ein Comeback interessierte ihn nicht, da blieb er stur – bis zuletzt der Alte. Still Bill. (Karl Fluch, 3.4.2020)