Ein Olivenzweig für das medizinische Personal am Palmsonntag (hier in Turin).

Foto: EPA/ALESSANDRO DI MARCO

Die Bilder aus dem Krankenhaus von Bergamo waren um die Welt gegangen: Patienten auf Liegen in den Korridoren, die nach Luft schnappen; dutzende Patienten in der Intensivstation unter Sauerstoffhauben und mit angsterfüllten Augen – oder bereits bewusstlos, am Leben gehalten durch künstliche Beatmung. Die Ärzte waren mit dem Ansturm der schwer an Covid-19 erkrankten Patienten völlig überfordert: Sie mussten die schmerzhafte Entscheidung fällen, wer noch behandelt werden kann und wer nicht.

Am Wochenende hat sich die Lage nun endlich ein wenig entspannt: Zwar wurden am Samstag landesweit immer noch 80 neue Patienten auf die Intensivstationen gebracht, aber weil sich gleichzeitig 154 bisherige Intensivpatienten erholten und auf reguläre Abteilungen verlegt werden konnten, sind insgesamt 74 Betten freigeworden. Der größte Teil davon geht auf das Konto der Lombardei, wo auf den Intensivstationen unter dem Strich 55 Plätze frei wurden. Auf dem Höhepunkt der Epidemie mussten in Italien täglich bis zu 250 Patienten zusätzlich auf Intensivstationen untergebracht werden. Am Sonntag ging die Zahl der Intensivpatienten erneut zurück.

"Zweiter Rückgang in Folge"

"Es handelt sich um den zweiten Rückgang in Folge – das erste Mal seit Beginn der Epidemie", betonte der nationale Zivilschutzchef Angelo Borrelli. "Das bedeutet noch nicht, dass wir über dem Berg sind. Aber es sind sehr wichtige Neuigkeiten, denn das verschafft unseren Krankenhäusern eine Atempause." Die Lage bleibt aber vorerst angespannt: Insgesamt befanden sich in Italien am Sonntag immer noch knapp 4.000 Covid-19-Patienten in Intensivpflege, weitere 25.000 Infizierte mit starken Symptomen werden auf anderen Abteilungen behandelt, 12.000 davon in der besonders betroffenen Lombardei.

Der Peak der Epidemie scheint nicht nur bei den Intensivpatienten überschritten zu sein, sondern auch bei den Toten: Am Sonntag haben die Behörden landesweit noch 525 Todesfälle registriert (Lombardei: 249), während vor einer Woche an einem einzigen Tag noch fast 1.000 Menschen am Coronavirus verstorben sind. Insgesamt zählt Italien nun laut offiziellen Angaben 15.887 Tote. Die Behörden gehen davon aus, dass sich die Zahl der täglich neu Verstorbenen im Laufe der Woche noch deutlich reduzieren wird.

Diskussion über Lockerung der Maßnahmen

Die Entspannung in den Intensivstationen sowie die sich reduzierende Zahl der Toten befeuert in Italien die öffentliche Diskussion darüber, wann die sehr weitreichenden Restriktionen zur Bekämpfung der Epidemie rückgängig gemacht oder zumindest gelockert werden sollen. Ex-Premier Matteo Renzi fordert seit längerem, dass der "Lockdown" in den Betrieben umgehend aufgehoben wird. Ex-Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini regte am Samstag die Öffnung der Kirchen über die Osterfeiertage an.

Gesundheitsminister Roberto Speranza will davon nichts hören: Schon heute von einem Datum der Rückkehr in die Normalität zu reden sei "unverantwortlich": Die gesamten Bemühungen zur Eindämmung der Epidemie und die großen von der Bevölkerung bisher erbrachten Opfer könnten damit zunichte gemacht werden. "Wir dürfen uns nichts vormachen: Die Situation ist nach wie vor dramatisch, die Gefahr ist noch nicht gebannt", betonte der Gesundheitsminister. Die Aufgabe der Regierung bestehe nun darin, "die Bedingungen zu schaffen, um in den kommenden Monaten mit dem Virus leben zu können".

Zu diesem Zweck präsentierte Speranza in der Zeitung "La Repubblica" vom Sonntag ein Programm mit fünf Punkten. Bevor man an eine Aufhebung der Quarantänemaßnahmen denken könne, müssten unter anderem die geplanten neuen Covid-19-Spitäler fertiggestellt, flächendeckende Antikörpertests durchgeführt sowie eine App für die Mobiltelefone entwickelt werden, mit der Kontakte mit Infizierten nachvollzogen werden könnten. (Dominik Straub aus Rom, 5.4.2020)