In Corona-Zeiten ist das Mobiltelefon für viele der wichtigste Kanal, um mit nahen Menschen in Verbindung zu bleiben. Dass der Staat sich damit an die Fersen der Bürgerinnen und Bürger heften könnte, geht der Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher aber klar zu weit.

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Wien – Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Schulen, Universitäten und Geschäfte, Maskenpflicht in Super- und Drogeriemärkten und eine anschwellende Debatte über eine Handy-App zur digitalen Spurensicherung positiv getesteter Covid-19-Fälle: Die österreichische Bevölkerung sieht sich derzeit mit rigiden Corona-Maßnahmen konfrontiert. Was aber denken die Betroffenen über die staatlichen Überwachungsmaßnahmen in der Krise?

Eine neue Studie des Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Uni Wien, für die im Laufe der Krise 1.500 repräsentative Personen wiederholt befragt werden, liefert erste Antworten: Die bisherigen Corona-Maßnahmen werden von der Bevölkerung breit unterstützt und als legitim akzeptiert, aber Maßnahmen, die auf die gezielte Überwachung einzelner Bürgerinnen und Bürger abzielen, werden ebenso mehrheitlich abgelehnt, schreiben die verantwortlichen Politikwissenschafterinnen Julia Partheymüller, Carolina Plescia und Sylvia Kritzinger.

Krisenbegleitende Studie

Die Panelstudie zur Corona-Krise, an der verschiedene Disziplinen beteiligt sind, soll "Veränderungen in einer Zeit rascher Umbrüche" nachzeichnen. Ziel der krisenbegleitenden Studie ist herauszufinden, "wie Stimmungslagen, Einstellungen, Verhaltensweisen und Informiertheit der Bevölkerung verteilt sind und wie diese sich im Laufe der Krise entwickeln", heißt es in der Studienbeschreibung. Neben einem Kernbestand an gleichbleibenden Themen, mit dem Trends in der Meinungslage nachverfolgt werden können, werden auch unterschiedliche Schwerpunkte abgefragt, wie etwa Familie, Arbeit, Politik oder Medien. Durchgeführt wird die Studie von einem interdisziplinären Team unter der Leitung von Bernhard Kittel (Institut für Wirtschaftssoziologie), Sylvia Kritzinger (Institut für Staatswissenschaft), Hajo Boomgaarden (Institut für Kommunikationswissenschaft) und Barbara Prainsack (Institut für Politikwissenschaft). Finanziert wird die Studie vom Wiener Wissenschafts-, Forschungs- und Technologiefonds (WWTF) im Rahmen des "Rapid Response"-Programms. Aktuelle Ergebnisse werden regelmäßig im Corona-Blog des Forschungszentrums veröffentlicht.

Zum untersuchten Überwachungskomplex zeigt sich konkret folgendes Bild:

  • "Eine überwältigende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unterstützt die von der Regierung getroffenen Maßnahmen, wie Unternehmen zu schließen, Ausgangssperren zu verhängen und auch das Nichteinhalten der neuen Regeln zu bestrafen", schreiben die Studienautorinnen. Neun von zehn Befragten sagen etwa, der Staat sollte definitiv oder vermutlich das Recht haben, Corona-Maßnahmenverweigerer zu bestrafen.
  • Sechs von zehn Österreicherinnen und Österreichern (58,9 Prozent) lehnen hingegen die Idee ab, den Aufenthalt positiv getesteter Personen bekanntzugeben – ein Thema, das gerade im Zusammenhang mit der Datenweitergabe an die Gemeinden bzw. Bürgermeister diskutiert wird.
  • Mehrheitliches Nein zu Videoüberwachung und Handyortung: 63,3 Prozent der Bevölkerung bewerten eine Videoüberwachung negativ, noch mehr (68,9 Prozent) lehnen eine Handyortung im Rahmen der Corona-Bekämpfung ab.
  • Vier von fünf Österreicherinnen und Österreichern oder mehr als 80 Prozent der Bevölkerung sind klar gegen das Sammeln von persönlichen Informationen ohne Wissen der Bevölkerung.
  • Wer der türkis-grünen Regierung mehr vertraut, unterstützt ihre Maßnahmen auch stärker als Personen, die in die ÖVP-Grünen-Regierung weniger Vertrauen haben – aber auch sie lehnen mehrheitlich staatliche Überwachung als Mittel gegen Corona ab.
Foto: VieCER/Corona-Blog

Vertrauen als wichtige Krisenressource

Was bedeutet das für die Politik in Corona-Zeiten? Sie muss sich bewusst sein, dass Datenschutz hier "sehr hoch gehalten wird", schreiben die Autorinnen: "Die Österreicherinnen und Österreicher scheinen zwischen allgemein notwendigen Maßnahmen, die der öffentlichen Gesundheit dienen, und Maßnahmen, die in die individuelle Privatsphäre eingreifen, genau zu unterscheiden." Für letztere gebe es "derzeit keine mehrheitliche Unterstützung".

Die Regierung braucht die Bevölkerung jedenfalls, um die Krise in Schach halten zu können. Dem Vertrauen kommt dabei eine zentrale Rolle zu: Sollte es sinken, könnte auch die Unterstützung der Maßnahmen schwinden. Möglich wäre laut der Studie aber auch der umgekehrte Fall: Sollte es Türkis-Grün schaffen, noch mehr Vertrauen zu bekommen, dann könnte sich "eine mehrheitliche Unterstützung auch für noch weitreichendere Maßnahmen ergeben". (Lisa Nimmervoll, 6.4.2020)