Das Vorsitzteam der ÖH: Desmond Grossmann (FLÖ), Adrijana Novakovic (Gras) und Dora Jandl (VSStÖ).

Foto: Max Schwarzenbacher

Studierenden soll durch die Corona-Krise kein Nachteil entstehen. Das betont Wissenschaftsminister Heinz Faßmann (ÖVP). Deshalb kündigte er vergangene Woche kündigte ein "neutrales Semester" für Beihilfenbezieher an. Zudem ermächtigt ihn das dritte Corona-Paket, Verordnungen im Hochschulbereich zu erlassen, etwa Fristen zu verschieben. Ebenso soll er Gründe festlegen können, um Studiengebühren zu erlassen oder zu erstatten.

Der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) ist das nicht genug, besonders den ungeklärten Umgang mit den Studiengebühren kritisiert sie. Stünden doch einige Studierende bereits wegen des Jobverlusts aufgrund der Krise vor existenziellen Auswirkungen.

Die ÖH schätzt, dass ein Drittel der erwerbstätigen Studierenden – die Erwerbstätigen machen immerhin 60 Prozent der rund 380.000 Studierenden aus – gekündigt wurde. Wer davon geringfügig gearbeitet hat, hat keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld und ist von Kurzarbeit ausgenommen. Bis auf Ausnahmen erhalten Studierende auch keine Mindestsicherung. Für viele stellt sich die Frage: Bezahle ich die Miete oder das Studium? Konkret sind das 363,36 Euro, wenn man über der Mindeststudienzeit plus Toleranzsemester studiert, das doppelte für Drittsaatsangehörige.

Hochschulen autonom

"Die momentane Situation erfordert eine zentrale Entscheidung durch Gesetze und Verordnungen und eine Finanzierung durch den Staat", heißt es in einem offenen Brief an Faßmann vom Sonntag, in dem die ÖH fordert, die Gebühren für dieses Semester zu erstatten. Am Montag legte die ÖH in einer Aussendung nach, als von der Regierung mitgeteilt wurde, dass im Sommersemester Lehrveranstaltungen nur mehr online und Prüfungen unter Schutzmaßnahmen stattfinden: Ein "neutrales Semester" müsse sofort umgesetzt werden, auch Gebühren sofort rückerstattet und ebenso für das kommende Semester erlassen werden.

Nach geltender Gesetzeslage können Hochschulen autonom entscheiden, die Gebühren für einzelne Gruppen zu erlassen. Das sei für die Unis aufwendig, deshalb bestehe die Gefahr, dass manche davon absehen, warnt Dora Jandl vom ÖH-Vorsitzteam im Gespräch mit dem STANDARD.

Das Ministerium gibt auf STANDARD-Anfrage keine konkrete Antwort zur ÖH-Forderung. Man habe "unterschiedliche Regelungen ausgearbeitet, die im Studienrecht aber auch im Bereich der Studienförderung Erleichterung schaffen. Dabei stehe das Ziel zur Vermeidung bzw. Neutralisierung etwaiger Härtefälle im Studienbeihilfenbereich absolut im Fokus dieses als 'neutral' bezeichneten Semesters."

Sabine Seidler, Präsidentin der Universitätenkonferenz, sieht die ÖH-Forderung "derzeit nicht gerechtfertigt". Sie plädiert in einer Aussendung dafür, die Entscheidung bis Ende Juni abzuwarten. Überhaupt könnten Studierende mit dem "neutralen Semester", der erwarteten verlängerten Nachfrist für das vergangene Wintersemester und der Option, auch im Sommer Kurse zu absolvieren, ihr Studium unter erschwerten Bedingungen fortsetzen.

Mängel bei Distance Learning

Zum Hintergrund der Debatte: Wegen der Corona-Pandemie sind die Hochschulen seit Mitte März geschlossen. "Ein Großteil der Lehrenden bemüht sich, Distance Learning umzusetzen, aber es gibt einige Mängel", sagt Jandl. Das zeigt auch eine Umfrage der ÖH Uni Innsbruck unter 3.200 Studierenden: Nur 41 Prozent der Befragten gaben an, dass eine ausreichende Anpassung an die Fernlehre "nur vereinzelt" gegeben sei.

Kurse und Prüfungen könnten so nur eingeschränkt betrieben werden und die Studierenden deswegen weniger Leistungen erbringen. Aber dass manche nun ihre Kinder betreuen müssen oder unter psychischer Belastung stehen, könne dazu führen, dass man sich schlechter konzentrieren kann, sagt Jandl. Die Folge: Das Studium verzögert sich.

Das Ministerium sieht das ein wenig anders: Viele Universitäten und vor allem Fachhochschulen hätten bereits fast hunderprozentig auf online umgestellt. Das sei ein großer Aufwand. "Naturgemäß wird es auch einige Bereiche geben, die noch nicht wunschgemäß Online-Angebote zur Verfügung stellen." Aber: "Bereits nach knapp einem Monat im laufenden Semester, schon von einem Erlass der Studienbeiträge zu sprechen, ist daher nicht wirklich angebracht", heißt es aus dem Wissenschaftsministerium.

Corona-Härtefonds für Studierende

Um Studierenden in Notlagen zu helfen, hat die ÖH einen Corona-Härtefonds eingerichtet, der breiter ausgelegt ist als ihr bisheriger Sozialtopf. So soll Studierenden geholfen werden, die durch die Corona-Krise ihren Job und damit ihre Einkünfte verloren haben oder deren Eltern gekündigt wurden und sie deshalb nicht unterstützen können. Auch Studierende, die in Kurzarbeit sind und ihre Ausgaben nicht bezahlen können oder selbstständig arbeiten und Aufträge verloren haben, soll der Fonds unterstützen. Man rechne mit einem Ansturm, sagt Jandl. Je nach sozialer Notlage erhält man bis zu 800 Euro, in Ausnahmen bis zu 1.000 Euro. Der Fonds soll auch aufgestockt werden, sollten die Anträge weiter so rapide steigen. uniko-Chefin Seidler sagte in der Aussendung, dass die kurzfristige soziale Bedürftigkeit der Studierenden über eine weitere Aufstockung des Härtefallfonds der ÖH abgefangen werden solle.

Ende März hatte sich die ÖH auch mit ihrem Maßnahmenpaket, das laut der ÖH-Webseite bereits über 14.800 Studierende (Stand: Montag, 14.30 Uhr) unterstützen, an das Wissenschaftsministerium gewandt. Sie fordert nämlich nicht nur die Rückerstattung der Studiengebühren für dieses, sondern auch für nächstes Semester sowie eine Ausweitung der Toleranzsemester um mindestens zwei und eine Sicherstellung des Beihilfenbezugs. (Selina Thaler, 6.4.2020)