Ein Schimpanse bei der Futtersuche auf einer Senegalesischen Dattelpalme. Die Farben dieser Früchte könnten mit der Evolution des Farbsehens bei Primaten in Zusammenhang stehen.

Foto: M. McLennan / Bulindi Chimpanzee & Community Project

Augen entstanden vermutlich nur kurze Zeit, nachdem die ersten mehrzelligen komplexen Tiere auf der Bildfläche erschienen sind. Die ältesten bekannten Facettenaugen wurden im 530 Millionen Jahre alten Fossil eines Trilobiten aus dem heutigen Estland gefunden. Ob diese krebsähnlichen Gliederfüßer auch Farben sehen konnten, ist freilich unklar. Diese Fähigkeit konnte allerdings anhand der erhaltenen Stäbchen- und Zapfenzellen eines über 300 Millionen Jahre alten Haifossils nachgewiesen werden – so alt dürfte also die Farbwahrnehmung mindestens sein.

Warum die Unterscheidbarkeit von Farben insbesondere für höhere Wirbeltiere und letztlich auch für den Menschen überhaupt ein Vorteil ist, steht möglicherweise in engem Zusammenhang mit der Verfügbarkeit von Nahrung. Das zeigten jedenfalls jüngste Untersuchungen an afrikanischen Primaten: Ein internationales Team von Wissenschaftern fand heraus, dass das Farbensehen bei den Affen mit der räumlichen Verbreitung der Farben von Palmfrüchten zusammenhängt. Die Ergebnisse geben neue Einblicke in die Evolution der Primaten.

Drei Farbrezeptoren

In unserer Netzhaut befinden sich drei Arten von Rezeptoren, die dafür verantwortlich sind, dass wir unterschiedliche Farben wahrnehmen: Rot, Grün und Blau. Das Gleiche gilt auch für viele weitere Primatenarten – im Gegensatz zu allen anderen Säugetieren. Für nachtaktive Tierarten würde es keinen sonderlichen Vorteil bedeuten, viele verschiedene Farbtöne unterscheiden zu können. Daher entwickelte sich das sogenannte trichromatische Sehen mit hoher Wahrscheinlichkeit in tagaktiven Primaten. Sie können neben Grün- und Blau- auch Rottöne unterscheiden und so leichter farbige Früchte aufspüren. Das könnte einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen fruchtfressenden Tieren bedeuten, die keinen Unterschied zwischen Rot und Grün erkennen. Diese Annahme wurde zwar experimentell bereits bei einigen Arten auf den Prüfstand gestellt, blieb im größeren Maßstab jedoch bislang unerforscht.

Eine Gruppe von Forscher um Renske Onstein von der Universität Leipzig konnte nun nachweisen, dass das trichromatische Sehen bei Primaten eng mit der Verfügbarkeit auffälliger, rötlich gefärbter Palmfrüchte zusammenhängt. Im Rahmen ihrer Untersuchungen analysierten sie Daten zum Farbensehen und zur Verbreitung von mehr als 400 Primatenarten sowie Daten zur Fruchtfarbe von über 1700 Palmenarten. Die in den "Proceedings of the Royal Society B" veröffentlichten Ergebnisse waren eindeutig: Das trichromatisches Sehen kommt am häufigsten bei Primatenarten in afrikanischen Ländern vor, in denen es außerdem ein hohes Vorkommen an Palmenarten mit sehr farbenfrohen, auffälligen Früchten gibt.

Koevolution bei Palmen und Primaten

Diese Wechselbeziehung hat Vorteile für die Primaten, aber auch für die Palmen: Während die Tiere auf Palmfrüchte als ihre Nahrungsgrundlage angewiesen sind, unterstützen sie in tropischen Wäldern die Ausbreitung von Samen, insbesondere für größere Früchte. Die Forscher konnten zeigen, dass die Zahl der tagaktiven, früchtefressenden Primaten mit der Verbreitung auffälliger Palmfrüchte in Afrika zunimmt und ihren Höchststand in den Subtropen erreicht.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Palmfrüchte somit in den Übergangszonen zwischen ariden und subtropischen Gebieten den größten Einfluss auf die Primaten haben, da dort die Nahrungskonkurrenz sehr hoch ist. Für afrikanische Primaten bedeutet es einen Vorteil bei der Futtersuche, verschiedene Farben sehen zu können. Die Palmen wiederum bildeten in der Evolution farbige Früchte aus, da diese von den Primaten leichter erkannt werden konnten und ihre Samen so besser verteilt wurden.

Im Unterschied zu Asien und Amerika

Die Forscher untersuchten nicht nur Daten vom afrikanischen Kontinent, sondern auch aus Asien und von den amerikanischen Kontinenten. "Interessanterweise verfügen in Amerika und Asien einige Primatenarten über das trichromatische Sehen, andere hingegen nicht. Hier konnten wir keinen Zusammenhang zwischen dem Farbensehen und dem Vorkommen auffälliger Palmfrüchte finden", meint Onstein. Die meisten amerikanischen Primaten bevorzugen außerdem solche Palmfrüchte, die keine auffälligen Farben haben. Im Gegensatz dazu ist es vielen Primaten mit trichromatischem Farbensinn in Asien völlig egal, welche Farbe eine Frucht hat – sie mögen Früchte einfach insgesamt sehr gern.

"In Asien und auf den amerikanischen Kontinenten könnten Vögel und Fledermäuse eine wichtigere Rolle bei der Ausbreitung von Samen spielen", erklärt Letztautor Daniel Kissling von der Universität von Amsterdam. "In Afrika gibt es hingegen relativ wenige Vögel, die sich von Früchten ernähren. Die Palmen sind also möglicherweise stärker darauf angewiesen, dass ihre Samen von anderen Tieren verteilt werden." Die Analysen zeigen, dass in Afrika Palmenarten mit auffälligen Früchten dominieren, wohingegen in Amerika Arten mit eher unauffälligen Früchten vorherrschen. (red, 7.4.2020)