Madeleine Landlinger, künstlerische Leiterin der Jeunesse.

Klaus Schäffer

Für einen Jobstart hätte es eindeutig nur bessere Gelegenheiten gegeben als die aktuelle: Mitte März übernahm Madeleine Landlinger jedenfalls die Karenzvertretung für Antonia Grüners, also die Leitung der Jeunesse, eines der größten Musikveranstalter mit Schwerpunkt auf junges Publikum – und landete so mitten in der Krisenzone.

Wie Publikum und Künstler ist auch Landlinger Richtung Homeoffice ausgewichen: "Dabei gibt es Videokonferenzen in für mich bisher ungeübt hohem Ausmaß auf vielfältigen Kanälen. Ein Neustart ist immer eine Art Bewährungsprobe in den ersten 100 Tagen und oft darüber hinaus. Dass die Corona-Krise diese Situation nun auf die Spitze treibt, ist zumindest derzeit noch ein Treiber für Ideen, Andersdenken und Versuche, mit frischem Blick, die Dringlichkeit von Veränderung auch zu nutzen."

Tolle Solisten für 2020/21

Eigentlich geht es dieser Tage für sie um die Präsentation der kommenden Saison. Und diesbezüglich freut sich Madeleine Landlinger "insbesondere auf die angesagten Solisten: Geiger Augustin Hadelich, die Geigerinnen Simone Lamsma und Alina Pogostikina, Klarinettist Andreas Ottensamer, Violinist Sergey Malov, die Labeque-Schwestern mit dem neuen Klavierkonzert von Bryce Dessner, oder die junge, herausragende Trompeterin Selina Ott, Featured Artist der Jeunesse für 2020/21."

Bezüglich der konzertfreien Gegenwart geht es für sie allerdings vor allem um Zahlen der ungemütlichen Art. Bisher sind 61 Konzerte ausgefallen, bis zum 13. April werden es an die 180.000 Euro an entgangenen Ticketerlösen sein. Auch Landlinger hegte jedoch die Befürchtung, dass die gesamte Saison ausfallen würde und damit weitere 150 Veranstaltungen. Die Einnahmeausfälle summieren sich nun auf potenzielle 950.000 Euro, denn sie behielt recht: Es wird bis Ende Juni keine Veranstaltungen geben, so beschloss es die Regierung am Montag.

Pause als große Herausforderung

Die Bewältigung dieses Ausfalls würde "für die Jeunesse und für viele andere Institutionen mit vergleichbarer Konstitution ein Kraftakt werden, der sämtliche Unterstützung seitens des Publikums und der öffentlichen Hand in Anspruch nehmen wird. Gerne natürlich auch von privater Hand, aber diesbezüglich braucht es auch den nötigen Nährboden."

Sollte alles einmal tatsächlich vorbei gehen, vermutet Madeleine Landlinger immerhin eine schnelle Rückkehr zur Normalität: "Als Ersatz für das Live-Erlebnis ist Streaming für mich nicht geeignet. Es ist aber schon eine ideale Ergänzung zum Hören von Einspielungen, da es auch das Auge bedient – in unserer sehr visuell getriebenen Welt. Ich glaube jedoch, dass viele sofort wieder in den nun noch lieber gewordenen Alltag zurückkehren wollen und stark vermisste Live-Konzert-Erlebnisse noch bewusster wahrnehmen werden."

Wie schnell das Ganze passieren wird und wie "viele unseres Stammpublikums das so empfinden werden, ist allerdings vollkommen unabsehbar." Im Idealfall entstehe "ein Sog nach Live und persönlichem Austausch", so Landlinger. Bis zur Überprüfung dieser These wird allerdings wohl noch eine seltsame Weile vergehen ... (Ljubisa Tosic, 6.4.2020)