Ich gebe zu, die Isolation zu Hause hat ihr Gutes. Ich lege alte Gewohnheiten ab und probiere Neues aus. Was nach ausgemachtem Coaching-Blabla klingt, macht erstens die Routine erträglicher und scheint zweitens auch der Beziehung nicht zu schaden. Vorgestern jedenfalls habe ich dem Freund die Haare geschnitten, zum allerersten Mal. Wobei: Geschoren trifft es besser. Eine Stunde lang wurde allein der Hinterkopf bearbeitet. Gelehrt hat mich die Prozedur, dass ein Bartschneidegerät nur mäßig gut zum Haareschneiden taugt. Der Freund lobte zwar mein bislang verborgenes Talent, verlässt aber seither lieber mit Mütze das Haus. Wie gut, dass sich das Endergebnis erst einmal nicht auf der Straße sehen lassen muss.

Mit einem Bartschneidegerät
die Haare zu kürzen,
das kann nach hinten losgehen.
Foto: Feldkamp

Auch sonst tut die Corona-Krise unserer deutsch-österreichischen Beziehung gut. Wir schauen jetzt sogar gemeinsam Nachrichten. Das klingt seltsam, hat aber aus einem einfachen Grund lange nicht funktioniert: Er "Team ZIB" und ich "Team heute-journal". Die ZDF-Nachrichtensendung war für mich so wichtig wie für die Generation Golf Wetten, dass ...? mit Frank Elstner. Und das, obwohl ich eine halbe Ewigkeit in Wien wohne und genauso lange keinen Fernseher mehr habe. Die Moderatoren Marietta Slomka und Claus Kleber vermittelten das sichere Gefühl, am Abend genau das Richtige zu tun. Gegen Slomkas kaltschnäuzige, ironische Attitüde kommt einfach keine österreichische Anchorwoman an, an diesem Glaubenssatz hielt ich jahrelang fest.

Bernhard und Wolf

Seit Corona aber ist alles anders. Wenn die deutschen Moderatoren über Infiziertenzahlen und Öffnungszeiten der Baumärkte in Berlin oder im Saarland berichten, fühlt sich das ziemlich weit weg an. Und weil ich gerade gern Neues ausprobiere, habe ich Nadja Bernhard und Armin Wolf bei mir zu Hause einziehen lassen: ZiB 1, ZiB 2, ZiB Spezial, ich bin jetzt so beschäftigt, dass ich am Wochenende kurzerhand ein Skype-Date mit der Familie in Deutschland verschoben habe.

Nur manchmal werde ich jäh aus meinen Träumen gerissen. Wenn der österreichische Kanzler die "lieben Österreicherinnen und Österreicher" begrüßt, dann bin ich kurz davor, wieder zum ZDF zu wechseln. (Anne Feldkamp, 7.4.2020)