In der Justizanstalt Innsbruck kam es zum ersten Corona-Fall

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Weltweit breitet sich das Coronavirus aus, in den österreichischen Gefängnissen hingegen vor allem die Angst. Aufgrund der räumlichen Enge und der oft mangelhaften Hygienemaßnahmen sind Justizanstalten ein besonders gutes Biotop für Viren. Daher wurden weltweit Inhaftierte freigelassen, etwa in Indonesien, Indien, aber auch in Frankreich und Deutschland – um so einem Ausbruch der Krankheit hinter Gittern vorzubeugen.

Im österreichischen Strafvollzug gibt es mittlerweile auch erste Infizierte: Ein Inhaftierter und drei Bedienstete sollen bislang positiv getestet worden sein. Die Gefangenen und ihre Angehörigen sind beunruhigt, das Justizministerium beschwichtigt. Das sorgt jetzt für Kritik von Experten.

Arno Pilgram, Mitbegründer des Wiener Instituts für Rechts- und Kriminalsoziologie, fordert, "jeden Haftaufenthalt zu vermeiden oder auszusetzen, der nicht als Sicherheitsmaßnahme für die Gesellschaft gegenüber hochgefährlichen Personen zwingend geboten erscheint". Auch Philipp Hamedl vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte fordert, "Alternativen zur Haft" zu prüfen. In dieselbe Kerbe schlug auch die Menschenrechtskommissarin des Europarats. Gefängnisse seien allgemein nicht genügend gegen eine Ausbreitung des Virus gewappnet und könnten empfohlenen Maßnahmen wie körperliche Distanz nicht umsetzen, betonte Dunja Mijatovic.

Inhaftierte sind gefährdet

Den Experten zufolge ist die Ansteckungsgefahr in den Haftanstalten nicht nur erhöht, Inhaftierte sind darüber hinaus häufig in einem schlechteren Gesundheitszustand als die Durchschnittsbevölkerung, also Risikogruppe.

Christina Ratz, Sprecherin des Justizministeriums, verweist auf den staatlichen Krisenstab und betont, es würden "größte Bemühungen daran gesetzt, eine Einschleppung in die Justizanstalten beziehungsweise die Ausbreitung des Coronavirus im Straf- und Maßnahmenvollzug zu verhindern". Dass eine Einschleppung unterbunden werden kann, glauben die Experten nicht. Die getroffenen Maßnahmen bringen für die knapp 9000 Inhaftierten Österreichs bisher vor allem Einschränkungen. Alle Aus- und Freigänge wurden untersagt, ebenso jeder Besuch Angehöriger und Gottesdienste. Desinfektionsmittel und Masken gebe es zumindest für Bedienstete.

Aus der größten, stets überbelegten Justizanstalt Österreichs in Wien-Josefstadt berichtet ein Inhaftierter von einer Beschränkung des täglichen Hofgangs auf nur 15 Minuten. Hier widerspricht die Ministeriumssprecherin: Das sei nicht zentral angeordnet worden.

Angehörige sind besorgt

Laut Erlass sollen telefonische oder briefliche Kontakte zu Angehörigen gefördert werden. Markus Drechsler, Obmann von Verein "Selbst- und Interessensvertretung zum Maßnahmenvollzug" fordert von der Justiz den Kontakt der Inhaftierten zu den Angehörigen sicherzustellen. "Videotelefonie und Anrufmöglichkeiten müssen beschränkungslos umgesetzt werden." Auch er sieht frühzeitige Entlassungen als eine gute Möglichkeiten die Spannungen hinter Gittern zu entlasten.

Die Ehefrau eines Häftlings klagt aber im Gespräch: "Es ist genau das Gegenteil der Fall. Ich bin oft über eine Woche ohne Nachricht von meinem Mann." Ihr Partner, so die Frau, sei Mitte Sechzig, Risikopatient und habe Angst um sein Leben. Bereits letzte Woche habe er sich von seiner Ehefrau telefonisch verabschiedet: "Für den Fall, dass wir uns nicht mehr wiedersehen – danke für alles."

Auch andere Inhaftierte berichten von Unruhe. Die Angst gilt weniger dem Virus selbst, sondern den Isolationsbedingungen für Verdachtsfälle. Robert S. (38) galt als solcher. Zwei Wochen befand er sich in einer Quarantänezelle der Justizanstalt Krems-Stein. "Ich fühlte mich total allein gelassen, Isolationshaft ist das Schlimmste." Sei man psychisch instabil, "ist es kaum auszuhalten", sagt der Inhaftierte. Auch Thomas R. (19), inhaftiert in Gerasdorf, sagt: "Jeder hat Panik", in der Quarantänezelle zu landen.

Das Justizministerium erteilt vorzeitigen Entlassungen aber eine Absage; lediglich Haftantritte würden unter bestimmten Bedingungen verschoben werden. Thomas R.: "Ich weiß nicht, wieso sie mich nicht raushauen – ich habe eh nur mehr fünf Monate."

Der Kriminalsoziologe Pilgram stellt der Justiz jedenfalls kein gutes Zeugnis aus: "Der Umgang mit Häftlingen offenbart ein Stück weit unsere allgemeine Rechts- und Demokratiekultur." (Christof Mackinger, 7.4.2020)