Die Corona-Krise hat auch die jemenitische Hauptstadt erreicht: Die Huthis, die Sanaa kontrollieren, lassen die Straßen desinfizieren.

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Inmitten der weltweiten Corona-Krise fast unbemerkt hat sich der Beginn der saudisch geführten Intervention im Jemen zum fünften Mal gejährt. Das sechste Jahr beginnt mit einer Eskalation, nach einem Abflauen zu Jahresbeginn ist der Krieg an allen Ecken und Enden des Landes wieder ausgebrochen.

Ende März 2015 hatten die jemenitischen Huthi-Rebellen bei ihrem Vormarsch vom Norden aus die südliche Hafenstadt Aden erreicht. Der saudische König Salman und sein Sohn, Verteidigungsminister Mohammed bin Salman – damals noch nicht Kronprinz –, griffen daraufhin gemeinsam mit den Vereinigten Arabischen Emiraten zugunsten der international anerkannten jemenitischen Regierung von Abd Rabbo Mansur Hadi ein. Fünf Jahre – und etwa 250.000 Lufteinsätze – später halten die Huthis noch immer die Hauptstadt Sanaa.

Wichtige zivile Infrastruktur wurde dabei gezielt zerstört, viele Zivilisten wurden getötet – was die Frage von Kriegsverbrechen aufwirft, ein Vorwurf, der auch die Waffenlieferanten Saudi-Arabiens treffen könnte. Die Huthi-Herrschaft ihrerseits ist von Repression und Menschenrechtsverletzungen geprägt, Kriegsgewinnler machen Geld, während sich die Bevölkerung das Lebensnotwendige nicht mehr leisten kann.

Keine Zahlen zu Covid-19

Zu Gewalt und Hunger kommen die Krankheiten: nach Cholera und Diphtherie nun auch Covid-19. Zahlen dazu gibt es aus dem Jemen keine, und es wird nie verlässliche geben: Das Gesundheitssystem ist in vielen Teilen des Landes völlig zusammengebrochen. Die Huthis haben jedoch Corona-Sicherheitsvorkehrungen erlassen. In Sanaa sind Desinfektionsfahrzeuge am Werk, was auf einen Ausbruch hindeutet, wie auch die Entlassung von Häftlingen aus den Gefängnissen.

Dass die Hoffnung auf eine diplomatische Annäherung zwischen Huthis und Saudi-Arabien – oder zumindest auf eine Waffenruhe während der Corona-Krise – begraben werden muss, wurde bereits Ende März evident. Die Huthis schossen nach einer längeren Pause wieder zwei ballistische Raketen auf die saudische Hauptstadt Riad ab – tausend Kilometer von der jemenitischen Grenze entfernt. Die Raketen wurden abgefangen, zwei Personen wurden von herunterstürzenden Teile verletzt. Eine andere Rakete wurde auf Jazan abgefeuert.

Die Saudis begannen danach, Sanaa, aber auch andere von den Huthis gehaltene Gebiete mit schweren Luftangriffen zu belegen. Die Huthis verzeichneten zuletzt entlang ihrer Frontlinie deutliche Gewinne. In der zentraljemenitischen Provinz Marib versuchen sie, die gleichnamige Hauptstadt einzunehmen, die sich in der Hand der Hadi-Loyalisten befindet. In den vergangenen Tagen kam es zu schweren Kämpfen wie auch bei der Stadt Taiz und in der nördlichen Provinz Jauf an der Grenze zu Saudi-Arabien.

Angriff auf Ölanlage

Im Süden der Provinz Marib kam es zur jüngsten Eskalation, die eine weitere befürchten lässt: Die saudische Luftwaffe soll die Pumpstation einer (im Moment stillgelegten) Pipeline bombardiert haben. Die Fakten sind nicht ganz klar, die Saudis beschuldigen wiederum die Huthis der Tat. Diese könnten nun aber, wird befürchtet, wie schon zuvor wieder Ölanlagen in Saudi-Arabien angreifen. "Heute ist nicht wie morgen, Al Saud, die Antwort wird hart und schmerzhaft sein", drohte ein Sprecher der Huthis.

Die Huthi-Bewegung, die offiziell Ansar Allah heißt, hatte sich im September zum Angriff auf die zwei Aramco-Anlagen Abqaiq und Khurais in Saudi-Arabien bekannt: Aufgrund der Komplexität der Operation – ein gemeinsamer Angriff mit Drohnen und Marschflugkörpern – wurde das jedoch angezweifelt. Die USA, aber auch EU-Länder beschuldigten direkt Teheran. In einer unerwarteten Wendung nahm Saudi-Arabien in den Wochen nach dem Angriff Gespräche mit den Huthis auf.

Konfessionalisierung des Konflikts

Über die Ursachen der derzeitigen Eskalation kann man nur spekulieren: Beide Seiten hatten sich zunächst vom Uno-Vorschlag einer Corona-Waffenruhe angetan gezeigt. Vielleicht wollen die Huthis einfach die momentane militärische Schwäche der Hadi-Loyalisten nutzen. Aber es scheint so, dass momentan überall Iran-Stellvertreter aggressiver werden – proportional zum US-Druck auf den Iran. Bisher ging man aber eher davon aus, dass Teheran die Huthis nicht kommandiert – anders als die schiitischen Milizen im Irak –, sondern nur unterstützt.

Die Huthis sind Zaiditen, sogenannte Fünferschiiten: eine schiitische Untergruppe. Der Konflikt hat im Nordjemen aus einer lokalen Konstellation heraus begonnen, wurde aber im Lauf der Zeit regionalisiert und konfessionalisiert, als Auseinandersetzung zwischen Saudi-Arabien und Iran bzw. Sunniten und Schiiten. Das kommt von beiden Seiten. So haben die Huthis die ballistischen Raketen, mit denen sie Riad angegriffen haben, "Zulfiqar" genannt, nach islamischer Tradition das zweiklingige Schwert von Ali ibn Abi Talib, Schwiegersohn und Cousin des Propheten Mohammed, den die Schiiten als ersten ihrer Imame besonders verehren. (Gudrun Harrer, 7.4.2020)