Einnahmen von rund 42,4 Milliarden Euro, eine Wertschöpfung von knapp 60 Milliarden Euro, 503.000 Jobs und 8900 Lehrlinge. Dafür stand die Tourismus- und Freizeitindustrie in Österreich zuletzt. Das ist alles weg. Zumindest vorübergehend. Wegen des Kampfes gegen das Coronavirus steht der Tourismus still. Die zweitwichtigste Branche im Land ist hart getroffen. "Wir waren die Ersten, die die Corona-Krise gespürt haben, und werden am längsten daran knabbern", fasst Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV), die Lage zusammen.

Am Tourismus hängen auch viele Klein- und Mittelbetriebe sowie Dienstleister – für Sport, Wellness oder Freizeitangebote. Sie alle haben von heute auf morgen keine Umsätze mehr. Da kommt die Ansage von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), wonach es eine volle Reisefreiheit wohl erst wieder geben wird, wenn es einen Impfstoff gegen das Coronavirus gebe, wie der nächste Schlag.

Stundungen und Reduktionen

Betroffen vom Ausfall sind alle – von der kleinen Almhütte bis zum Nobelhotel am Ring in der Wiener Innenstadt. Letztere müssen hohe Mieten oder Pachten samt hohen Personalkosten bei null Einkünften stemmen. Hier laufen entsprechende Gespräche bezüglich Stundungen und Reduktionen. Kleine Hotels könnten mitunter flexibler reagieren, weil die Familie mithelfen kann. Der Kampf ums Überleben wird dennoch überall gefochten.

Die Ski-Hotels haben einen Monat ihrer Hauptsaison verloren. Das ist viel, aber die Saison lief soweit gut. "Aber die Winterhotels sind die, die im Sommer am meisten investieren", sagt Reitterer. Renovierungen bringen Aufträge für lokale Handwerker. Auch diese Aufträge hängen nun in den Seilen.

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Von der Almhütte bis zum Nobelhotel: Der Tourismus leidet stark. Reisebeschränkungen machen es der Branche nicht leicht. Bis man die Corona-Krise verdaut haben wird, wird es Jahre dauern, sagen Betroffene.
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In der Branche macht sich ohnehin niemand mehr falsche Hoffnungen. "Das Reiseverhalten der Menschen wird sich durch Corona verändern", sagt Reitterer. Erst wenn es eine gewisse Durchseuchung gebe (liegt laut Kanzler Kurz derzeit bei rund einem Prozent), werde der Umgang mit dem Virus ein anderer werden. Das Wichtigste sei jetzt, dass es gelingt, die Arbeitsplätze zu sichern.

Covid-19 hinterlässt Spuren

Ähnlich erklärt es Matthias Winkler, Geschäftsführer der Sacher-Gruppe: "In den Sacher-Hotels kommen mehr als 90 Prozent der Gäste nicht aus Österreich." Aus vergangenen Krisen, wie 9/11 oder der Finanzkrise 2008, wisse man, dass sich das internationale Reisegeschäft erst über mehrere Jahre hin wieder erholt. "Nicht weil es gesetzliche Reiseverbote gab, sondern aus Angst, Sorge und fehlenden finanziellen Möglichkeiten", sagt Winkler. Covid-19 hinterlasse ähnliche Spuren.

Bei den Rezeptionen ist es still geworden. Bis dort wieder hektischer Betrieb ist, wird es noch dauern.
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Im Land selbst könne man die Ausfälle nicht hebeln. Innerhalb von Österreich gebe es kaum Flugverkehr. Airlines könnten hier nicht viel Geschäft aufholen. Reisen nach Salzburg oder Innsbruck würden vielfach auch mit dem Zug unternommen. Reitterer zählt rund fünf Millionen Reisende in Österreich. Selbst wenn die in nächster Zeit im Land urlaubten, würde man damit die 150 Millionen Nächtigungen pro Jahr nicht schaffen. Zumal viele Menschen durch Jobverlust oder Kurzarbeit finanziell selbst kämpfen.

"Das Thema Reiserestriktionen ist komplex, weil mehrdimensional", sagt Martin Winkler, Vorstandschef vom Verkehrsbüro. Man müsse die Entwicklung in Österreich abwarten (Stichwort Ausgangsrestriktionen bis Ende April) und die Entwicklungen in den Zieldestinationen – viele haben Einreisebeschränkungen für Österreicher / Einreisende aus Österreich erlassen bzw. schreiben eine 14-tägige Quarantäne bei der Einreise vor. Das mache das Reisen nicht einfacher.

"So schnell es gehen muss"

Am Flughafen Wien wartet man ab. Ob man sich künftig an Fiebermessungen bei Ein- oder Ausreise gewöhnen wird müssen, kann Sprecher Peter Kleemann nicht sagen. Für solche Überlegungen sei es zu früh. Man werde sehen, was die Gesundheitsbehörden vorschreiben. Der Flughafen ist zwar kaum frequentiert, aber in Betrieb. Ein Hochfahren kann laut Kleemann schnell gehen. Und zwar "so schnell es gehen muss". Schnell hochfahren kann auch die AUA, sagt Sprecher Peter Thier. Die Flugpläne gebe es ja. Die Frage wird sein, wohin die Reise noch gehen darf. Für 17 Länder gibt es derzeit ja eine Reisewarnung.

Von den Banken wünscht sich Reitterer, dass diese flexibler reagieren. Stundungen und Überbrückungskredite spießten sich oft mit Regularien der Branche. Die Lage werde immer prekärer. Betriebe, die wieder aufmachen, haben Stundungen bei der Krankenkasse, alte und neue Kredite. Das abzutragen wird nicht leicht. (Bettina Pfluger, 7.4.2020)