Der Chef der deutschen Grünen, Robert Habeck, Italiens früherer Finanzminister Giulio Tremonti und der spanische sozialdemokratische Premier Pedro Sánchez sind sich einig: Die Europäische Union müsse dringend gemeinsame Anleihen auflegen. Die wirtschaftlichen Verwerfungen, die das Coronavirus anrichte, seien so groß, dass nicht weniger als die Zukunft der EU auf dem Spiel stehe.

Es geht um hunderte Milliarden Euro. Die einen nennen es "Eurobonds", die anderen "Coronabonds". Weil diese Begriffe wegen der technisch damit verbundenen Schuldenübernahme zwischen Eurostaaten belastet sind, was nach geltenden EU-Verträgen verboten ist, lehnen die EU-Budgetsparmeister Deutschland, die Niederlande und Österreich das ab. Nun tagen erstmals die Euro- und EU-Finanzminister dazu. Was zeichnet sich ab? Es wird keine Schnellschüsse geben, aber später einen Kompromiss – keine "Coronabonds", aber doch riesige Hilfe und Solidarität. Gut so.

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Die Debatte über eine Vergemeinschaftung der Schulden erinnert an den Beginn der Finanz-, Wirtschafts- und Eurokrise ab 2008. Jahrelang wurde darüber gestritten. Es wurde viel kostbare Zeit durch sinnlose Grundsatzdiskussionen verloren. Das kann man nun vermeiden. Es geht damals wie heute um dasselbe: Eurostaaten, die über gute Bonität verfügen, können durch Haftungen auf den Finanzmärkten billige Kredite auftreiben, die an jene weitergegeben werden, die das brauchen. Gemeinsam spart man Zinsen und Kosten. Dafür gibt es das Instrument des Eurorettungsfonds (ESM). Er sollte genutzt werden. Die Europäische Zentralbank (EZB), eine EU-Institution, unterstützt ohnehin mit eigenen Mitteln.

Einer der Erfinder des ESM von 2012, der Österreicher Thomas Wieser, hat im STANDARD zuletzt eine neue Idee aufgebracht: Das gesamte EU-Rahmenbudget bis 2027 müsse unter dem Aspekt eines gemeinsamen europäischen Wiederaufbaus neu aufgesetzt werden. Die EU-Kommission will mit einem 100 Milliarden Euro schweren Kurzarbeitsprogramm aushelfen. All das sollte zunächst ausreichen, um in Norditalien, Spanien, aber auch in Teilen Frankreichs oder im belgischen Flandern, wo das Coronavirus besonders wütet, entsprechend auszuhelfen. Regionen first. Und was Italiens Schulden angeht: Es gibt im Land riesige Privatvermögen, die Rom endlich einmal anzapfen könnte. Klar, dass die relativ armen Balten oder Slowaken dafür nicht zahlen wollen. (Thomas Mayer, 6.4.2020)