Alle Maßnahmen, die der Bildungsminister als Hilfe im Homeschooling vorsieht, sollten auch jene Familien unterstützen, die zusätzliche technische Ausstattung und Know-how brauchen.

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Sie fungieren als Übersetzer bei Amtsgängen oder beim Arzt. Beim Elternabend sitzen sie neben den Eltern, der Lehrerin gegenüber. Und natürlich organisieren sie ihren Schulalltag vollkommen selbstständig und bekommen selten Hilfe bei den Hausaufgaben. Die Rede ist von den Migranten- oder Flüchtlingskindern der ersten Generation. Sie sind in der Corona-Krise mit dem Homeschooling großteils auf sich alleine gestellt.

Nur damit keine Missverständnisse entstehen: Das oben gezeichnete Bild betrifft natürlich längst nicht alle Kinder mit Migrationshintergrund. Es gibt auch jene in zweiter und dritter Generation, für deren Eltern die die deutsche Sprache in den meisten Fällen kein Problem darstellt. Viele dieser Eltern kennen das österreichische Bildungssystem aus eigener Erfahrung und können ihren Kindern eine Stütze sei. Ebenso ist es in Familien, die zwar erst seit einigen Jahren in Österreich leben, aber aus ihren Herkunftsländern genug Bildungskapital mitgenommen haben, um sich vergleichsweise schnell im österreichischen Alltag und Bildungssystem zurechtzufinden.

Wichtigste Stütze fällt weg

Für Kinder aus sogenannte bildungsschwachen Familien ist die Corona-Krise aber eine zusätzliche Last, die sie ohne Unterstützung stemmen müssen. Lernen in beengten Wohnungen, vielleicht noch mit lärmenden Geschwistern und überforderten Eltern, das kennen diese Kinder schon. Doch jetzt fällt die wichtigste Stütze weg: der strukturierte schulische Alltag und – wenn sie bisher Glück hatten – die Unterstützung von engagierten, wohlmeinenden Lehrerinnen und Lehrern.

Eine kluge und krisenerfahrene Kollegin erinnerte mich neulich daran, dass mein Blick zu fatalistisch sei und viele Kinder auch trotz widrigster Umstände zu großartigen Leistungen fähig seien und diese auch vollbringen. Das stimmt natürlich. Doch die derzeitige Situation trifft jene, die bisher ohnehin benachteiligt waren, ungleich härter als ihre Altersgenossen. Kinder aus bildungsfernen, womöglich auch noch von Armut betroffenen Familien (unabhängig vom Migrationshintergrund) müssen derzeit die gleichen, sehr großen Herausforderungen bewältigen wie ihre Mitschüler, doch ohne elterliche Hilfe und oft auch ohne Laptop und Drucker.

Bildungschancen sind ein wichtiges Mittel zur Armutsbekämpfung. Das darf gerade in dieser Krise, die ärmere Gesellschaftsschichten härter trifft, nicht vergessen werden. Alle Maßnahmen, die der Bildungsminister als Hilfe im Homeschooling vorsieht, sollten auch jene Familien unterstützen, die zusätzliche technische Ausstattung und Know-how brauchen. Und wenn alles vorbei ist, können wir die längst überfällige Digitalisierung der Klassenzimmer für alle Schülerinnen und Schüler angehen. Denn die Krise zeigt gerade, was alles möglich und sinnvoll gewesen wäre, ganz ohne Not und Hast. (Olivera Stajić, 7.4.2020)