Die Szenerie hatte einen dramatischen Touch. Mit Masken vor dem Gesicht marschierten Kanzler, Vizekanzler, Gesundheits- und Innenminister im Saal ein, um hinter Schutzschildern aus Plexiglas Aufstellung zu nehmen. Da war eine gehörige Portion Show mit dabei, denn warum sollten die bei den bisherigen Medienkonferenzen gebotenen Sicherheitsvorkehrungen – penibel eingehaltener Abstand – plötzlich nicht mehr ausreichen? In dem Fall müsste sich die Regierung ja vorwerfen lassen, in den ersten drei Wochen der Corona-Krise sich und Journalisten fahrlässig gefährdet zu haben.

Doch diesmal diente die Inszenierung einem gemeinnützigeren Zweck als bloß der Produktion spektakulärer Bilder. Weil Politiker nun einmal eine Vorbildwirkung haben, hat die Maskerade schon ihren Sinn. Was bei einem geordneten Setting im Kanzleramt nach einer Fleißaufgabe aussieht, kann in den schmalen Gängen eines Supermarkts helfen, die Verbreitung des Virus einzudämmen.

Politiker haben eine Vorbildwirkung.
Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Der türkis-grünen Koalition ging es auch um einen Kontrapunkt zu ihrer Botschaft, die erstmals seit dem Lockdown vom 16. März eine im Kern frohe war. Galt es bisher stets neue Restriktionen zu verkünden, zeichnet sich nun eine Wende ab. Bei ihrem Auftritt am Montag verkündete die Regierung einen Stufenplan, um die Wirtschaft – bei kleinen Geschäften angefangen – hochzufahren. Allerdings schoben Sebastian Kurz und Co eine Warnung nach: Jetzt nur nicht leichtsinnig Ausgangssperren und Abstandsregeln ignorieren, sonst ist die Lockerung rasch wieder abgeblasen.

Appelle zum Gehorsam

Der paternalistische Unterton, den die Regierenden dabei anschlagen, kann kritischen Bürgern schon auf den Geist gehen. Die Appelle zum Gehorsam, das Lob für die Braven, der Zeigefinger für die Schlimmen – all das klingt nach Disziplinierung und Entmündigung. "Ihr wart bisher eh recht artig", lautet die vielfach variierte Mahnung von oben, "aber jetzt reißt euch noch ein bissl z’samm, dann gibt’s eine Belohnung."

Doch wer rasch und rigoros durchgesetzte Einschränkungen des täglichen Lebens als obrigkeitsstaatliche Attitüde oder wirtschaftsschädliche "Massenhysterie" (Wienerberger-Chef Heimo Scheuch) beklagt, der darf sich nicht davor drücken, den Gedanken zum bitteren Ende zu führen. Kritik an der übermäßigen Härte wäre dann stichhaltig, wenn man davon ausgeht, dass die Corona-Pandemie weniger bedrohlich ist, als die Regierung es darstellt. Das widerspricht aber der Einschätzung der Expertenschaft. Nimmt man die Fachleute hingegen ernst, dann ergibt sich daraus, dass jede voreilige Lockerung ihren Preis hat – und der wird in zusätzlichen Toten berechnet.

Dies sollte auch die Opposition bedenken. Natürlich ist Kritik an den Regierungsmaßnahmen, von denen beileibe nicht alle ausgegoren sind, wichtig. Doch die diskutierte "Stopp Corona"-App mit der elektronischen Fußfessel zu assoziieren (SPÖ) oder dem Kanzler wegen pessimistischer Prognosen in Sachen Reisefreiheit DDR-Mentalität zu unterstellen (FPÖ) ist der heiklen Situation unangemessen.

Das Gleiche gilt für manche Kritik am Oster-Erlass, der Familienfeiern verhindern sollte. Der Vorstoß war verunglückt und rechtlich problematisch, der Sinn dahinter ist jedoch nicht leichtfertig von der Hand zu weisen: Der Verzicht aufs gemeinsame Eierpecken ist ein geringeres Opfer, als die Geschäfte auch nur einen Tag länger geschlossen halten zu müssen. (Gerald John, 6.4.2020)