Die Grünen haben alle Hände voll damit zu tun, in der Diskussion um Big Data die Bedenkenträger zu beruhigen. Was den Einsatz von Handy-Tracking und die Weitergabe von Daten betrifft, sind nicht nur Opposition und Datenschützer besorgt, auch die eigene Anhängerschaft ist alarmiert. In den sozialen Netzwerken wird eine mögliche Verpflichtung zum Handy-Tracking sehr kontroversiell diskutiert. Auch die Frage, ob und wie der Arbeitgeber möglicherweise zu Daten der Krankenkasse über jene Gruppe an Arbeitnehmern kommt, die als Risikopatienten einzustufen wären, sorgt für Diskussionen. Dass Bürgermeister nun in den Besitz von Daten betroffener Corona-Erkrankter kommen sollen, bringt Opposition wie Datenschützer auf die Palme.

Die Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer versucht zu beruhigen. Die Daten der Gesundheitskasse würden nur an die betroffenen Arbeitnehmer selbst gehen, die könnten damit dann nachweisen, dass sie als besonders gefährdet gelten und daher Homeoffice machen oder überhaupt dienstfrei gestellt werden müssten.

An eine verpflichtende Handy-App, wie sie derzeit das Rote Kreuz anbietet, sei laut Maurer nicht gedacht, das Mitmachen sei freiwillig. Das betont auch Vizekanzler Werner Kogler. In der ÖVP gehen darüber die Meinungen auseinander. Eine solche App, in der Wege und Kontakte des Handybenutzers registriert und gesammelt werden, habe nur dann Sinn, wenn es möglichst viele, am besten alle verwenden. Wenn einzelne Ausreißer das Virus verbreiten, und man wisse nicht, woher es kommt und wohin es gebracht wurde, lassen sich keine gezielten Maßnahmen setzen, um die Betroffenen zu isolieren.

Tausche App gegen ...

Daher setzt Kanzler Sebastian Kurz auf die zunehmende Einsicht in die Dringlichkeit dieser Maßnahme. Einen Anstoß zur Verpflichtung könne es geben: Mit der App wären Privilegien verbunden: etwa die Reisefreiheit, die Kurz gerade infrage gestellt hat. Denkbar wäre, dass das Verlassen des Bundeslandes oder des Bundesgebiets an die Verpflichtung geknüpft wird, Handy-Tracking zuzulassen.

Die Frage nach Datensicherheit stellt sich in Corona-Zeiten ganz besonders.
Foto:Karl Schöndorfer TOPPRESS

Doch nicht nur die Handy-App sorgt derzeit für Aufregung. Auch dass die Bürgermeister künftig über Covid-19-Erkrankungen in ihrem Einzugsgebiet informiert werden sollen, missfällt Opposition wie Experten. Nikolaus Forgó, Vorstand des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Uni Wien, bezeichnet die entsprechende Änderung im Epidemiegesetz als "erstaunlich". Rein rechtlich betrachtet, stelle sich jedenfalls die Frage, ob die Maßnahme geeignet, notwendig und verhältnismäßig sei. An der Zweckdienlichkeit hat der Jurist seine Zweifel. Warum ausgerechnet der Bürgermeister bei der Versorgung von Covid-19-Patienten gebraucht würde, wie die Neuerung begründet wird? Und wie das Ganze in einer Großstadt wie Wien funktionieren solle?

Gleichzeitig berge die Informationsweitergabe an die Bürgermeister eine Reihe von datenschutzrechtlichen Problemen. Es sei wohl davon auszugehen, dass einige der Ortschefs, die persönlich für diese besonderen Daten der Bürger haften, damit überfordert sind. Was den Experten am meisten verwundert, ist aber: "Warum wurde ich als Mitglied des Datenschutzrates damit nicht im Vorfeld befasst?" Das erklärt Friedrich Ofenauer, der Vorsitzende des Datenschutzrates, schlicht damit, dass der Gesetzesantrag von Abgeordneten eingebracht wurde, weshalb das Begutachtungsverfahren entfällt.

"Große Verantwortung"

Als Bürgermeister geht der ÖVP-Abgeordnete davon aus, dass sich die Bezirksverwaltungsbehörden ihrer "großen Verantwortung" im Umgang mit den Gesundheitsdaten bewusst sind – und vor deren Weitergabe im Gespräch mit den Betroffenen klären, ob tatsächlich ein Versorgungsbedarf gegeben sei. Andernfalls hält er eine Information an die Ortschefs für "nicht zulässig". Dass es infolge der Datenweitergabe zur sozialen Segregation erkrankter Menschen kommen könne, schließt Ofenauer aus.

Anders sein Vorgänger, Johann Maier (SPÖ): Er spricht von einer "problematischen Bestimmung", deren soziale Konsequenzen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Die Neos sehen einen "inakzeptablen Angriff auf die Grund- und Freiheitsrechte". (Karin Riss, Markus Sulzbacher, Michael Völker, 6.4.2020)