Vom Chefsessel bei Ebay und Hewlett-Packard in die Start-up-Szene: Die US-Managerin Meg Whitman hat eine durchaus bewegte Karriere vorzuweisen. Gemeinsam mit dem Investor und Filmemacher Jeffrey Katzenberg hatte sie 2018 die Arbeit an einem neuen Streamingdienst begonnen: Quibi. Geldgeber haben bislang 1,75 Milliarden Dollar in seinen Aufbau gesteckt.

Vor kurzem ist das Angebot, dessen Name für "Quick Bites" steht und sich an Publikum am Smartphone richtet, in den USA gestartet. Je nach Abo-Option verlangt man fünf oder acht Dollar monatlich. Auch die ersten Pressekritiken sind bereits da. Und sie werfen Zweifel an der Existenzberechtigung von Quibi auf. Zusammengefasst werden die Eindrücke von "The Verge", "Vulture", dem "Guardian" und "USA Today".

Quibi

Nur am Handy

Den Fokus auf Handys zieht Quibi sehr entschieden durch. Die Serien, die man liefert, bieten Episoden in "Häppchengröße" von sieben bis zehn Minuten Länge. Wer sie auf einem anderen Gerät schauen will, hat Pech gehabt. Weder lässt sich der Service einfach so auf einem PC oder Laptop verwenden und auch Optionen zum streamen auf den Fernseher und andere Plattformen sucht man vergeblich. Abgängig ist ebenfalls eine für Tablets optimierte Fassung der App.

Dafür bietet die Smartphone-Variante umso mehr Optionen. Videos sind so umgesetzt, dass sie "funktionieren", egal, ob man das Handy aufrecht oder längs hält – ein Feature, das man bei Quibi "Turnstyle" nennt. Der Lautstärkeregler ist jeweils am Bildrand zu finden, um mit einer Hand bedienbar zu sein. Außerdem wurde Quibi auch ein eigener Linkshänder-Modus spendiert und man verspricht, das künftige Formate besondere Features basierend auf Ort und Zeit des Nutzers bieten sollen. Neue Folgen kommen täglich und jeden Montag sollen neue Shows Premiere feiern.

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Einige Stars an Bord

In das Startprogramm hat man auch allerlei Stars rekrutiert. Jennifer Lopez verschenkt in der Show Thanks a Million Geld an Menschen in Not. Reese Witherspoon wiederum erzählt in der Doku Fierce Queens vom Leben der Geparden und anderer Tiere. Sophie Turner (bekannt als Sansa Stark aus Game of Thrones) tritt im Thriller Survive auf, Liam Hemsworth und Christoph Waltz findet man in Most Dangerous Game, einem horrorartigen Format über Menschenjagden.

Die App liefert zum Start ein "Empfehlungskarussell", in dem verschiedene Serien im Kartenformat angeboten werden. Diese Karten zeigen ein Vorschaubild, Titel und Kurzinfos. Bleibt man länger auf ihnen, beginnt ein Vorschausegment zu laufen. Tippt man sie an, startet die Sendung. Im Browse-Tab sucht man manuell nach Inhalten und in der Favoritenliste werden die neuesten, noch nicht angesehenen Episoden der bevorzugten Serien angezeigt.

Solide App

Der Player selbst bleibt minimalistisch mit Lautstärkeregelung, Abspielen/Pause-Taste sowie Untertiteln und Vor- und Zurückspulen. Wer die Audioausgabe stummschalten und stattdessen die Untertitel aktivieren möchte, kann dies mit einer einfachen Wischgeste. Technisch gesehen liefert die App stets zwei synchrone Videostreams an das eigene Handy – einmal im Quer- und einmal im Hochformat.

Der gerade nicht genutzte kommt jedoch in niedrigerer Auflösung. Dennoch funktioniert der Wechsel praktisch sofort und ohne merkbarem Verlust der Bildqualität. In welcher Qualität gestreamt wird und in welche Auflösung man Folgen downloadet, lässt sich in den Einstellungen festlegen.

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Wenig Freude an Inhalten und Preismodell

Der soliden App steht jedoch viel Kritik auf anderer Ebene gegenüber. So berichtet Variety bereits von einem Backlash, weil es Quibi ausschließlich für Smartphones gibt. Ein Punkt, der auch in den Tests auf Unverständnis stößt, zumal gute Argumente gegen das Ansehen der Serie auf anderen Geräten fehlen und die Begrenzung somit ein künstlich geschaffenes und nicht notwendiges Alleinstellungsmerkmal ist.

Wenig Freude lassen auch die Serien auf der Plattform aufkommen, wobei die Ansichten zu den einzelnen Produktionen je nach Rezension variieren. Vulture listet rund die Hälfte der Eigenproduktionen unter "ansehbar" und "einen Versuch wert", stuft den Rest allerdings nur als Lückenfüller oder schlecht ein. Mehr als verwundert zeigt man sich über den Plot von Survive. "Sophie Turner ist eine suizidgefährdete junge Frau, die sich nur deswegen nicht umbringen kann, weil ihr Flugzeug abstürzt. Es ist schwer zu sagen, ob die unverantwortliche Idealisierung von Suizid oder die ‘künstlerische‘ Nachbearbeitung der Flashbacks empörender ist."

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Während Vulture Fierce Queens durchaus etwas abgewinnen kann, sieht man beim Guardian darin den erfolglosen Versuch, eine Tierdokumentation in die Form einer Highschool-Show zu pressen. Most Dangerous Game erinnere zudem an einen B-Movie in dem Liam Hemsworth die Rolle gähnender Leere einnimmt. Diese Produktion findet man bei USA Today wiederum unterhaltsam, bemängelt aber, dass das aufgebaute Spannungsmomentum aufgrund der kurzen Folgen viel zu schnell zu einem "abrupten Halt" komme.

Für Kopfkratzen sorgt zuletzt auch das Preismodell. Wer fünf Dollar monatlich ausgibt, erhält Zugang zu Quibi, muss aber dennoch Werbung aushalten. Erst die Acht-Dollar-Option ist werbefrei, bietet aber sonst keinerlei Extras.

Wohl keine Zukunft

In Summe sprechen die meisten Tester Quibi die Existenzberechtigung ab, lediglich bei The Verge sieht man ein "interessantes" Experiment. Die Kombination aller Unzulänglichkeiten, insbesondere aber der Versuch, Nutzer zum Ansehen am Smartphone zu zwingen und die wenig überzeugende Auswahl an Serien, dürften das Häppchenstreaming zu einem Zwei-Milliarden-Dollar-Fail machen.

Ärger droht dem Start-up auch an anderer Front. Das Unternehmen Eko wirft dem Unternehmen vor, das "Turnstyle"-Feature nach einer Vorführung vor Quibi-Gründer Katzenberg und anderen Mitarbeitern abgekupfert zu haben. (gpi, 7.4.2020)