Stuben im Jahr 1950: die einzige Aufnahme meines Heimatorts im historischen Ansichtskartenarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.

Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Wäre es ein normales Jahr, würden wir uns am Karfreitag zusammenpacken und uns Richtung Südburgenland aufmachen, um meine Eltern in Stuben, dem Ort meiner Herkunft, zu besuchen.

Die Kinder wären dann schon eine Woche bei Oma und Opa gewesen, stolz würden sie uns den großen Haufen präsentieren, den sie gemeinsam mit meinem Vater für das traditionelle Osterfeuer im Garten aufgeschichtet hätten. Ein jährliches Highlight, um das sie heuer umfallen. Das ist zwar traurig, aber kein Beinbruch. Wir sind gesund.

Dennoch beschleicht mich ein unbestimmtes Gefühl der Melancholie. Nicht nur, weil es für mich das erste Mal sein wird, dass ich meine Eltern zu Ostern nicht besuchen kann – auch weil ich im Zuge der Fotorecherche für diese kleine Story auf ein Foto gestoßen bin. Es ist die einzige Aufnahme meines Heimatorts im historischen Ansichtskartenarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek.

Kirche und Friedhof

Es zeigt Stuben im Jahr 1950. Deutlich zu erkennen: der Friedhof auf dem Hügel – den Toten wird die beste Aussicht gewährt – und etwas weiter rechts, die Kirche. Das war sie allerdings nur an bestimmten Sonntagen – zumindest zu meiner Zeit. Werktags diente das Gebäude, bis vor wenigen Jahren, als Volksschule. Auch ich habe dort die Schulbank gedrückt. Kirche und Friedhof: die Konstanten in jedem Dorfbild.

Im Vordergrund links erkannte ich dann aber das Haus meiner (Ur-)Großeltern – dort, wo jetzt mein Elternhaus steht. Ich muss gestehen, dass ich bei dieser Erkenntnis die eine oder andere Träne zerdrückt habe, und das, obwohl ich nichts von Nostalgie halte und selten sentimental bin. (Verdammte Coronavirus-Krise!)

Offenbar braucht es manchmal eine 70 Jahre alte Fotografie, um seine Wurzeln zu spüren. Die räumliche Distanz tut ihr Übriges. (Markus Böhm, RONDO, 9.4.2020)