Rund um den Muttertag, Anfang Mai, waren die Hügel meiner Heimat von blühenden Mostobstbäumen übersät.

Foto: © Mostviertel Tourismus/weinfranz.at

"Nach dem Mittagessen machen wir eine Baumblütentour", freute sich Oma. Rund um den Muttertag, Anfang Mai, waren die Hügel meiner Heimat von blühenden Mostobstbäumen übersät. Sie in der ganzen Pracht zu erleben, verlangte eine kleine Runde mit dem Auto, raus aus dem Ort, rauf ins Grüne.

Im Gegensatz zu meiner Großmutter empfand ich es als todlangweilig, das Selbstverständliche zu bestaunen. Sie hingegen war während des Krieges aus dem damals deutschen Oberschlesien nach Niederösterreich gekommen und liebte diese Jahreszeit ganz besonders.

Wenn die ersten Schneeglöckchen blühten, packte sie eine Jause ein und spazierte mit uns in die Auen. Wir pflückten Schneeglöckerln, die eigentlich Märzenbecher heißen, Himmelschlüsserln und "Hänsel und Gretel". Wir kehrten glücklich mit dicken Sträußen heim und beschenkten unsere Mutter.

Großartiges Naturereignis

Solange es ihre Gesundheit zuließ, wanderte Oma mit uns einmal im Jahr durch diese Landschaft, von Seitenstetten rauf nach St. Michael. Wenn sich die Hunde aus den zu passierenden Vierkanthöfen auf uns stürzten, klemmte sie uns unter ihre Arme. Wenn der Kuckuck rief, zückte sie ihre Geldbörse und ließ die Münzen scheppern.

Oben angekommen, kehrten wir im Gasthaus ein und tranken Keli. Oma ist schon lange tot, die Bäume werden dank Klimawandel schon bald blühen. Ich werde dieses großartige Naturereignis heuer nicht vor Ort bewundern dürfen. (Petra Eder, RONDO, 12.4.2020)