Schon lange vor Corona haben die Ausseer eine besondere Form der Selbstisolation entwickelt.

Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Ich kann nicht klagen über die Unmöglichkeit eines Heimatbesuchs zu Ostern. Er ist vor allem unmöglich, weil Bad Aussee nur für wenige Heimat sein will. Schon lange vor Corona haben die Ausseer eine besondere Form der Selbstisolation entwickelt.

Nehmen wir den Fall von Klaus Maria Brandauer: Er ist in Bad Aussee geboren und teilweise in Altaussee aufgewachsen. Zwischen den Orten liegen keine fünf Kilometer, aber angeblich Welten. Manchmal wird herzhaft gestritten, wo er denn nun her ist, der Schauspieler.

Nicht, weil es um die Vereinnahmung des berühmten Sohnes durch eine Gemeinde geht, sondern ums Prinzip: Ein Bad Ausseer ist kein Altausseer und vice versa. Die beiden Kleinethnien verkaufen das als Tatsache, obwohl Unterscheidungsmerkmale zwischen den selbstisolierten Volksgrüppchen kaum wahrnehmbar sind.

Präsenz zeigen

Dennoch ist im Ausseerland Herkunft nicht alles. Man muss auch ständig Präsenz zeigen, etwa auf dem lokalen Marktplatz für Meinungen, besser bekannt als die antike Ausseer Agora oder der Stammtisch.

Als sich Brandauer einmal in Altaussee an den Stammtisch setzen wollte, ist ihm das harsch mit den Worten verwehrt worden: "Der Platz ist nur für Dasige." Brandauer konterte sofort mit "Ich bin ja auch ein Dasiger." Doch er bekam vom Stammtisch nur nachgereicht: "Aber nicht oft genug!"

Ausseer sind misstrauisch – offensichtlich auch, wenn ein Einheimischer zum Pendler in hässliche Vororte des Salzkammerguts wird: wie Brandauer in die Gastarbeiterhochburg Hollywood, die nicht einmal über einen Gebirgssee verfügt.

Meine Eltern leben erst seit acht Jahren in Bad Aussee. Sie sind so oder so keine Dasigen. Nie würden sie es wagen, dagegen Einspruch zu erheben – ich noch viel weniger.

Erstens zeige ich dort wenig Präsenz, und zweitens bin ich schon seit meiner Kindheit nirgendwo ein Dasiger. Meine Eltern lebten schon in München, Linz und Gröbming. Ich kam immer gerne mit. Wo sie waren und wo sie sind, ist immer auch ein Zuhause.

Momentan bin ich aber vielleicht zum ersten Mal im Leben ein Dasiger. Weil ich heute wieder da bin, wo ich schon gestern war – im Homeoffice in der Brigittenau. Wie gesagt, ich kann wirklich nicht klagen. (Sascha Aumüller, RONDO, 12.4.2020)