St. Wendel, die Kleinstadt im Saarland, wurde kurz vor der Jahrtausendwende zum Sehnsuchtsort. Hier der wundervolle Golfplatz

Foto: St Wendel Tourismus

Kerze, Taschenlampe, Schlafsack, mehr brauchte es nicht, um Appetit zu bekommen auf dieses unbestimmte Gefühl von Freiheit. Kalt war’s trotzdem, das Haus der Eltern noch ein halber Rohbau.

Es war kurz vor der Jahrtausendwende, ich war 17 und verbrachte gemeinsam mit der besten Freundin die erste Nacht im neuen Haus in St. Wendel, meine Familie hatte beschlossen, in die Kleinstadt zu ziehen. Damit rückte mein Sehnsuchtsort, der drei Kilometer entfernte Klub in einem ehemaligen Parkhaus, in erreichbare Nähe.

Der neue Wohnort bewahrte vor peinlichen Situationen: Endlich brauchte es keinen Papa im Pyjama mehr, der mitten in der Nacht im Auto auf dem Parkplatz wartete. Der Club war aber mehr, er war zu einem echten Versprechen geworden. Die richtigen Leute, die richtige Musik, zum ersten Mal fühlte sich der Anfang des Wochenendes so an, wie ich mir das immer vorgestellt hatte: schwitzig, aufregend, magisch.

Lidstrich bei Kerzenlicht

Für eine solche Freitagnacht, da waren meine Freundin und ich uns an jenem ersten Abend im Rohbau einig, lohnte es sich, im Kerzenlicht den Lidstrich zu ziehen, über das richtige T-Shirt zu diskutieren und am Morgen danach in den Schlafsack zu kriechen – ohne Strom, ohne Spiegel, ohne Bett und ohne Internet ja sowieso. Die Kleinstadt und das Parkhaus, das war um Längen besser als das davor, das 730-Einwohner-Kaff mit Autobahnanschluss.

Davon bin ich noch heute überzeugt, wenn ich zweimal im Jahr nach St. Wendel zu den Eltern fahre. Den Club, der eher eine Kleinstadtdisco ist, habe ich seither nicht mehr betreten. Dabei wird es auch bleiben.

Ein Blick auf die Website genügt: "Crazy Nineties Parties" werden da jetzt veranstaltet. Ob die wohl so rumlaufen wie wir vor der Jahrtausendwende? Je länger ich darüber nachdenke: eigentlich total egal. (Anne Feldkamp, RONDO, 13.4.2020)