"The Brick" am Wienerberg, ein Projekt der Soravia Group, wurde kürzlich fertiggestellt.

Foto: Wienerberger/Strasser

Die Corona-Krise wird sich auch stark auf den Wiener Büromarkt auswirken. Schon im ersten Quartal 2020 gab es eine Vermietungsleistung von nur 12.977 m², das waren rund 65 Prozent weniger als im ersten Quartal 2019 und auch 65 Prozent weniger als im vierten Quartal 2019. Diese Zahlen gab das Vienna Research Forum (VRF), dem die größten Wiener Büromakler angehören, kürzlich bekannt.

"Verlust von einem Quartal"

Für das Gesamtjahr rechnet man bei Otto Immobilien, einem der VRF-Mitgliedsunternehmen, deshalb schon mit dem Verlust eines ganzen durchschnittlichen Quartals oder mehr. Die Gesamtvermietung dürfte sich 2020 auf rund 130.000 m² verringern, im Vorjahr lag dieser Wert noch bei 191.000 m². Dies geht aus einer Vorabmeldung von Otto Immobilien zum hauseigenen Wiener Büro- und Investmentmarktbericht hervor, der Mitte April veröffentlicht wird.

Zum Vergleich: Im Schnitt wurden in den letzten drei Jahren pro Quartal rund 45.000 m² (VRF) neu vermietet. Mit den für heuer erwarteten 130.000 m² würde man sich wieder auf das Niveau des Jahres 2017 begeben (circa 135.000 m²). 2018 wurden rund 225.000 m² vermietet, 2019 die bereits erwähnten 191.000 m².

Etwas Zuversicht stellt sich ein

"Zunächst war die weitverbreitete Sorge, dass alle laufenden und fast abgeschlossenen Projekte zur Gänze gecancelt oder verschoben werden", berichtet Steven Bill Scheffler, Teamleiter Büroflächen bei Otto Immobilien. In den letzten zehn Tagen habe sich jedoch mehr Zuversicht eingestellt. "Man hat sich mit den Umständen arrangiert und findet auch vertragliche Lösungen." Einige Neuanmietungs-Projekte im Frühstadium würden allerdings definitiv verschoben werden, so Scheffler.

Auch bei Mitbewerber EHL, ebenfalls VRF-Mitglied, sieht man eine deutliche Reduktion der Nachfrage nach Büroflächen schon seit den ersten Tagen der Krise. Die meisten Unternehmen seien derzeit eben mit Maßnahmen zur Bewältigung der Krise beschäftigt. "Darüber hinaus verzeichnet der Markt auch erste Absagen für bereits geplante Anmietungen", berichtete EHL kürzlich in einer Analyse zu Auswirkungen der Corona-Krise auf die Immobilienmärkte. Weit fortgeschrittene Mietvertragsgespräche, bei denen es schon eine Einigung über die wesentlichen wirtschaftlichen Parameter gebe, werden zwar voraussichtlich mehrheitlich weitergeführt werden, "und im Regelfall sollten diese auch tatsächlich erfolgreich abgeschlossen werden können". Büroanmietungen, die sich noch in einem frühen Stadium befinden, werden aber wohl "entweder sistiert oder mit mäßiger Geschwindigkeit fortgeführt".

Weniger Nachfrage nach Co-Working

Auch mittel- bis langfristig dürfte sich die Corona-Pandemie auf den Büromarkt gravierend auswirken, meint man beim großen Wiener Maklerhaus. Mittelfristig werden wohl "zahlreiche Unternehmen nach Überwinden der Krise ihre Expansionspläne kritisch hinterfragen. Das wird teilweise zur zeitlichen Verschiebung von Anmietungen führen, und bei Unternehmen, die durch die Krise nachhaltig in Mitleidenschaft gezogen wurden, wird es auch zur Absage von Umzugs- und/oder Expansionsplänen kommen."

Und langfristig sei auch eine tiefgreifende Umwälzung der Arbeitswelt möglich. Die Digitalisierung werde deutlich rascher voranschreiten, und analog zum Onlinehandel werde auch die Bedeutung des virtuellen Büros beziehungsweise Heimarbeitsplatzes deutlich zunehmen. "Als weitere Auswirkung für den Wiener Büromarkt ist eine geringere Nachfrage nach Co-Working-Flächen zu erwarten." Und es sei davon auszugehen, dass Finanzierungen für neue Büroprojekte künftig noch penibler geprüft werden und Projekte von den Banken nur mit einem entsprechenden Vorvermietungsgrad finanziert werden.

Neubauleistung heuer stärker

Vorerst wird die Neuproduktion von Büroflächen aber deutlich ansteigen – jedenfalls gegenüber dem Vorjahr, in dem es mit nur 36.400 m² ohnehin ein Rekordtief gab. Bei Otto Immobilien erwartet man heuer 155.200 m², davon waren Ende des ersten Quartals bereits rund 86.000 m² (55 Prozent) vorvermietet beziehungsweise eigengenutzt und stehen somit nicht mehr zur Verfügung, berichtet Martin Denner, Teamleiter Immobilien Research bei Otto.

Fertiggestellt werden heuer unter anderem die Bauteile 1 und 2 des Quartier Belvedere Central am Hauptbahnhof sowie der Office Park 4 am Flughafen. Am Wienerberg wurde mit "The Brick" ebenfalls ein Projekt mit über 10.000 m² Bürofläche erst kürzlich fertiggestellt. 2021 konzentrieren sich die Fertigstellungen auf den Submarkt Prater/Lassallestraße, wo in direkter Nähe zum Bahnhof Praterstern fast 70.000 m² Bürofläche generalsaniert werden ("Quartier Lassalle").

Viele Transaktionen "on hold"

Am Büroinvestmentmarkt dürften die Auswirkungen der Corona-Krise im Vergleich zu anderen Assetklassen wie Hotel oder Retail weniger deutlich ausfallen. "Zwar befinden sich fast alle Transaktionen aus operativen Gründen 'on hold‘' die meisten Investoren gehen aber von einer zeitlichen Befristung der Situation aus", berichtet Christoph Lukaschek, Investment-Chef bei Otto Immobilien. Zum vollständigen Abbruch von Transaktionen sei es bisher nur in absoluten Ausnahmefällen gekommen. Insgesamt wurde im ersten Quartal auf dem Immobilien-Investmentmarkt ein Umsatz von 410 Millionen Euro erzielt, so Lukaschek.

Bei EHL kam man sogar auf fast 500 Millionen Euro, womit auch für EHL-Investmentchef Franz Pöltl das Jahr 2020 sehr gut startete. Der Großteil entfiel aber eben auf Jänner und Februar. "Im März gab es hingegen wegen der Anti-Corona-Maßnahmen einen starken Rückgang der Transaktionstätigkeit, wenn auch kein völliges Ende der Investmentaktivitäten."

Renditen bewegen sich auseinander

In welchem Ausmaß die Corona-Krise Marktvolumen und Immobilienpreise beeinflusst hat und noch beeinflussen wird, lasse sich derzeit nicht mit hinreichender Sicherheit abschätzen, so Pöltl. "Sicher erscheint allerdings, dass es eine spürbare Spreizung der Risikoaufschläge geben wird, das heißt, die Renditeunterschiede zwischen Spitzenobjekten und weniger guten Objekten werden deutlich größer werden." Der wichtigste preisbestimmende Faktor werde dabei die Qualität der Mietverträge (Mietniveau, Restlaufzeit, Bonität der Mieter) sein. (red, 7.4.2020)