Der Engpass bei medizinischem Equipment für die schweren Corona-Fälle hat weltweit viele teilweise improvisierte Ansätze für Beatmungsgeräte hervorgebracht.

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Für gewöhnlich beschäftigt sich Arne Sieber mit vernetzten Messmethoden für Grundwasservorkommen. Das ist das Thema seines Unternehmensprojektes, das er am Zentrum für Angewandte Technologie in Leoben – dem Gründerzentrum der dort ansässigen Montanuni – verfolgt. Doch seit ein paar Wochen ist alles anders.

Nachdem sich ein ägyptischer Arzt, ein Kontakt aus seiner früheren Tätigkeit in der Tauchbranche, bei ihm gemeldet hat, arbeiten er und sein Kollege Stefan Oswald mit Hochdruck an einem Beatmungsgerät für Covid-19-Patienten.

Ausgangspunkt der Entwicklung ist Tauchequipment, das im touristischen Ägypten üppig vorhanden ist. Mittlerweile gibt es mehrere Prototypen. Noch in der ersten Aprilhälfte sollen erste Geräte vor Ort in Kairo evaluiert werden.

Schnelle Hilfe

Der Engpass bei medizinischem Equipment für die schweren Corona-Fälle hat weltweit viele Ideen hervorgebracht. Uni-Professoren, Industrie-Entwickler und sonstige Erfinder arbeiten an improvisierten Systemen und pragmatischen Ansätzen für eine schnelle Aushilfe. Laufend kündigen Unternehmen Produktionsumstellungen an.

Sieber hat sich bereits in einem früheren Start-up mit der Entwicklung spezialisierten Taucherequipments beschäftigt. Der Entwickler betont, dass sein nunmehriger Ansatz weniger für Europa, sondern vielmehr für die Versorgung in Entwicklungsländern gedacht ist, wo man mit einem Minimum an Ressourcen das Beste machen muss. In Afrika steht der Höhepunkt der Krankheitswelle bekanntlich noch bevor.

Prototyp aus Colaflasche

Der erste Prototyp für Siebers Beatmungsgerät bestand aus einem Tauch-Atemregler, Plastikschläuchen, einer Atemmaske – und einer zerschnittenen Colaflasche. Atemregler, die Taucher am Mund tragen, bringen den Druck, der von den Reglern an den Sauerstoffflaschen kommt, auf den jeweiligen Umgebungsdruck hinunter, sodass in unterschiedlichen Tiefen geatmet werden kann. "Diese automatische Regelung basiert auf einer Membran, die mit dem Umgebungsdruck in Verbindung steht", erklärt Sieber.

Bei der Corona-Behandlung in Krankenhäusern kommt unter anderem die sogenannte CPAP-Beatmung (continuous positive airway pressure) zum Einsatz. Der Patient kann hier noch selbstständig atmen, der Atemvorgang wird aber mit leichtem Überdruck, der sowohl beim Ein- als beim Ausatmen aufrechterhalten wird, unterstützt.

Dieser Druck wird bei Siebers Gerät mit einer entsprechenden Wassersäule, welcher der Atemregler ausgesetzt wird, hergestellt. Ein Zylinder – in der ersten Version die Colaflasche –, der auf dem Regler montiert ist, wird bis auf eine Höhe von 15 Zentimetern mit Wasser gefüllt und stellt damit den erforderlichen Druck von 15 Millibar her.

Bauteile aus dem 3D-Drucker

Auch nach dem Ausatmen soll noch positiver Druck in der Lunge vorhanden sein. Dafür sorgt üblicherweise ein sogenanntes PEEP-Ventil (positiver endexspiratorischer Druck). Ist dieser eigentlich günstige Bauteil schwer erhältlich, kann hier ebenfalls die Wassersäule zu Hilfe genommen werden, um den Druck zu übersetzen, erläutert Sieber.

Das Ganze kann nun an ein in Spitälern übliches Sauerstoffsystem oder an eine Sauerstoffflasche angeschlossen werden. Bei der Herstellung der Zylinderkonstruktion bietet sich 3D-Druck an. Ist entsprechende Produktionskapazität vorhanden, kann sie auch durch eine maßgefertigte Feder ersetzt werden, die den passenden Druck ausübt.

"Die Geräte müssen am Ort des Einsatzes anzufertigen sein. Nur dann macht es Sinn", betont Sieber. "Ich drucke im Moment den ganzen Tag über Prototypen mit meinem 3D-Drucker im Keller."

Sauerstoffgeräte für Notlazarette

Ein weiterer Ansatz, der zuletzt vorgestellt wurde, ist ein Sauerstoffgerät der TU Wien. Verfahrenstechniker Michael Harasek und Konstruktionswissenschafterin Margit Gföhler haben dort ein System entwickelt, das – um beim Tauchsport zu bleiben – jenen Geräten ähnelt, mit denen sauerstoffangereicherte Luft für Druckluftflaschen erzeugt wird.

Allerdings stellt das System der TU kontinuierlich angereicherten Sauerstoff für eine größere Patientenzahl bereit, um deren Atmung zu erleichtern. "Der Ansatz eignet sich für Notlazarette in Hallen, Spitäler oder Geriatriezentren mit vielen Erkrankten", sagt Harasek, der bereits mit Firmen für eine Serienproduktion in Kontakt ist.

Das Konzept greift auf einen ölfreien Kompressor und eine spezielle Membran zurück, die Sauerstoff aus der Luft abtrennt und anreichert. Der erreichte Sauerstoffanteil von etwa 35 bis 40 Prozent ist dann knapp doppelt so hoch wie in der Umgebungsluft. Die angereicherte Luft wird mit Schläuchen zu den Masken der Patienten geleitet, die aber hier normal – also nicht in Überdruckumgebung – ausatmen. Schlüsselelement ist die Membran, die durch den Sauerstoff schneller diffundiert als der Stickstoff der Luft.

Sauerstoffflaschen oder eigene Spitalsinfrastruktur sind nicht notwendig. "Das Ganze ist keine Raketentechnik", sagt Harasek. "Die Hoffnung ist, dass man mit dem Einsatz des Systems die Intensivmedizin entlasten kann."

Das Ziel der Forscher ist, in der zweiten Aprilhälfte einen ersten Prototyp für eine Serienproduktion zu haben. Könnten bis Mai erste Geräte vor Ort eingesetzt werden? Harasek: "Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass es machbar ist." (Alois Pumhösel, 8.4.2020)