George Pell wurde vom sexuellen Missbrauch freigesprochen.

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Am frühen Nachmittag des 7. April war George Pell in Melbourne kein Häftling mehr, sondern ein freier Mann. Der Kardinal und ehemalige Finanzchef des Vatikans war nach mehr als 400 Tagen in Haft von den Missbrauchsvorwürfen gegen ihn freigesprochen worden. Das oberste Gericht Australiens hatte seiner Berufung stattgegeben. Die Geschworenen hätten 2018 ihr Urteil gefällt, obwohl es zu wenig Beweise gegeben habe. Pell war vorgeworfen worden, 1996 zwei Chorbuben nach der Messe missbraucht zu haben.

Damit wurde einer der vermeintlich größten Erfolge jener zurückgenommen, die sich im Kampf gegen Missbrauch in der katholischen Kirche einsetzen – und vor allem für dessen Aufarbeitung. Der am 8. Juni 1941 im australischen Ballarat geborene Pell war der bis dato höchstrangige Geistliche, der je vor einem weltlichen Gericht verurteilt wurde.

Pell kam als Sohn des englischen Einwanderers und Schwergewichtsboxers George Arthur und dessen streng katholischer Frau Margaret Lillian Pell zur Welt. Als Kind wurde er 24-mal wegen eines Geschwürs am Hals operiert und wegen seiner Bandage gehänselt.

Steiler Aufstieg

Respekt verschaffte sich Pell beim Sport: als Leichtathletikchampion und Topspieler im Australian Football. 1959 unterschrieb der damals 18-Jährige einen Profivertrag. Doch bald ließ er die Sportlerkarriere hinter sich, weil er den "Ruf Gottes hörte", wie Pell später sagte. Er trat 1960 dem Priesterseminar bei. Es folgte ein steiler Aufstieg.

Nach einem Doktorratsstudium der Kirchengeschichte in Oxford kehrte er nach Ballarat zurück. Von 1973 und 1983 war Pell in der Diözese tätig – auch als Berater des Bischofs, der erwiesenermaßen Priester, die Kinder missbrauchten, von Pfarre zu Pfarre schickte, um ihre Taten zu vertuschen. Pell bestreitet, das gewusst zu haben.

Als er 1996 zum Weihbischof von Melbourne ernannt wurde, verantwortete er das umstrittene "Towards Healing"-Programm, das den Umgang der Kirche mit Missbrauchsopfern regelte und Entschädigungszahlungen bei einem geringen Betrag deckelte.

Papst Franziskus berief ihn in den Kardinalsrat und ernannte ihn 2014 zum Chef des vatikanischen Wirtschaftsministeriums. Kurz nach Pells Freilassung erinnerte der Papst an die "Verfolgung Jesu" und betete für jene, die unter "ungerechten Strafen" zu leiden haben. Für Vertreter der Opfer des kirchlichen Missbrauchs war dies ein weiterer Schlag. (Bianca Blei, 7.4.2020)