Der Belle II-Detektor in Tsukuba (Japan).

Foto: Belle II Collaboration

Wien – Bereits in den 1930er-Jahren spekulierten Wissenschafter, dass im Kosmos bedeutend mehr Masse vorhanden sein muss, als wir von der Erde aus beobachten können. Einen Beleg dafür lieferten 1965 schließlich die Untersuchung von Vera Rubin: Die US-Astronomin und ihre Kollegen stellen fest, dass die Umlaufgeschwindigkeiten von Sternen am Rand von Spiralgalaxien ganz und gar nicht den Erwartungen entsprachen: Eigentlich müssten diese Sterne wesentlich langsamer kreisen, als sie es tatsächlich taten – was wiederum zu den Schluss führte, dass in den Galaxien mehr Materie vorhanden sein muss, als zu erkennen ist.

Mittlerweile hat man zwar errechnet, dass im Universum die Masse dieser "Dunkler Materie" etwas das Fünffache der sichtbaren Materie beträgt. Woraus die mysteriöse Masse jedoch bestehen könnte, ist immer noch völlig unklar. Um das zu klären, beschäftigen sich nicht nur Astronomen sondern auch Teilchenphysiker rund um den Globus mit dem Problem.

Keine Hinweise und doch ein gutes Ergebnis

Am japanischen Teilchenbeschleuniger SuperKEKB läuft seit über einem Jahr ein entsprechendes Experiment, von dem man sich einen indirekten Nachweis der Dunklen Materie erhofft. In den ersten Daten des Detektors "Belle II", an dem österreichische Physiker maßgeblich beteiligt sind, fanden sich jedoch noch keine konkreten Hinweise, berichten die Forscher im Fachjournal "Physical Review Letters". Für sie ist das dennoch ein gutes Ergebnis.

Im Beschleuniger SuperKEKB in Tsukuba nahe Tokio werden Elektronen und ihre Antiteilchen (Positronen) auf nahezu Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Der "Belle II"-Detektor registriert diese Teilchenkollisionen und vermisst die Bahnen der bei den Zusammenstößen entstehenden Zerfallsprodukte. Das Institut für Hochenergiephysik (HEPHY) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) arbeitet seit 2001 mit den japanischen Kollegen zusammen und hat einen Teil des "Belle II"-Detektors federführend entwickelt und gebaut. Die österreichischen Forscher sind auch an der physikalischen Auswertung der Daten beteiligt, insbesondere im Hinblick auf die Suche nach Dunkler Materie.

Weitere Wechselwirkungen vermutet

Die Physiker gehen aber davon aus, dass es zwischen Dunkler und regulärer Materie außer der Gravitation noch weitere Wechselwirkungen gibt. Diese Kopplung von "normaler" und Dunkler Materie könnte etwa über ein dunkles Photon erfolgen, oder über ein sogenanntes Z'-Boson. Letzteres haben die Forscher nun untersucht, aber in den ersten Daten des Belle-II-Detektors fanden sich bei den Elektron-Positron-Kollisionen keine Hinweise auf ein solches Teilchen. Es würde sich durch fehlende Energie in den Zerfallsprodukten der Teilchenkollisionen verraten. "Wir müssen jetzt einfach jedes mögliche Szenario abtesten, denn die Signale im Detektor sehen bei einem dunklen Photon ganz anders aus als etwa bei einem Z'-Boson", betonte Christoph Schwanda vom HEPHY.

Dass es mit dem ersten Datensatz noch nicht zu einer Entdeckung gereicht habe, sei nicht enttäuschend, schließlich soll "Belle II" bis etwa 2027 in Betrieb sein und noch viel mehr Daten aufzeichnen, "es ist also noch Potenzial vorhanden", so Schwanda. Wesentlich sei, "dass unser Detektor funktioniert. Das war sehr viel Arbeit, weil wir unsere Instrumente und Daten sehr genau verstehen müssen, um derartige Messungen überhaupt durchführen zu können", so Gianluca Inguglia vom HEPHY.

Eingegrenzter Suchbereich

Die ersten Ergebnisse würden zudem zeigen, dass im untersuchten Masse- beziehungsweise Energiebereich kein neues Boson existiert. Sie konnten damit die möglichen Eigenschaften einer neuen physikalischen Kraft einschränken, worauf man bei künftigen Forschungsarbeiten aufbauen könne. Die Wissenschafter hoffen, mit weiteren Daten des Detektors in Zukunft die möglichen kennzeichnenden Größen einer zusätzlichen Grundkraft weiter einschränken und der Dunklen Materie auf die Spur kommen zu können. (red, APA, 12.4.2020)