Vor drei Jahren habe ich das erste Mal in meinem Leben Aktien gekauft. Weil die Kurse damals sehr hoch waren, habe ich nur halb so viel Geld veranlagt wie geplant. Mein Plan: In der nächsten Krise kaufe ich sie. Jetzt ist sie da, und ich habe Wort gehalten. Ich habe diese Woche in Aktien investiert. Auf die Krise zu warten war trotzdem keine schlaue Strategie – wegen Corona aus Angst zu erstarren ist es aber auch nicht.

Sie lesen Katsching, eine Serie, in der ich 2017 meine eigene Geldanlage öffentlich gemacht habe. Sie können die ganze Serie nachlesen (zu Teil 1) oder hier meine Zusammenfassung lesen. Meine jetzige Geldanlage erkläre ich in drei Punkten.

Erstens: Ist das überhaupt moralisch vertretbar?

Weil Aktien in Österreich nicht den besten Ruf haben, fange ich damit an. Grundlegend: Mit einer Aktie kaufe ich einen klitzekleinen Anteil an einem Unternehmen. Ich habe aber keine Lust, große Risiken einzugehen. Darum kaufe ich nicht einzelne Aktien von Unternehmen, sondern breite Aktienfonds, sogenannte ETFs. In meinem sind nahezu alle börsennotierten Firmen der Welt. Je besser es der Weltwirtschaft geht, desto mehr verdiene ich.

Wenn Sie so wollen, gehe ich also eine Wette auf die Zukunft ein. Ich wette darauf, dass die Welt wegen Corona nicht untergehen wird. Das Virus richtet viel menschliches Leid an, aber die Weltwirtschaft ist widerstandsfähig. Sie hat schon andere Pandemien wie die Spanische Grippe überstanden, die zig Millionen das Leben kostete, Weltkriege, Finanzkrisen und so weiter.

Wer in Aktien anlegt, braucht etwa acht bis zehn Jahre Geduld, sagen Verbraucherschützer. Das ist wichtig: Auch wenn die Pandemie hoffentlich in ein bis zwei Jahren wieder vorbei ist, weil wir Medikamente und Impfstoffe haben, heißt das nicht, dass bis dahin nicht noch sehr viel Schaden angerichtet wird. Wann die Aktienkurse wieder steigen, weiß niemand. Ich bin aber jung (29) und habe Geduld – das Geld spare ich für später einmal.

An den Börsen geht es derzeit schnell auf und ab.
Foto: APA/AFP/ERIC PIERMONT

Langfristig steigen die Aktien in etwa mit dem Wachstum der Wirtschaft, sagt Thorsten Hens von der ETH Zürich. Weil wir jedes Jahr ein bisschen schlauer und produktiver werden, wächst die Weltwirtschaft und steigen die Aktienkurse. Darauf vertraue ich auch weiter. Wann es nach Corona wieder so weit sein wird, weiß ich nicht. Aber ich will ja auch nicht spekulieren und in ein paar Wochen mit Gewinn verkaufen. Ich lege das Geld an, bis ich es irgendwann einmal zum Leben brauche, für meine Wohnung, Familie, was auch immer.

Ich fasse zusammen: Schutzmasken zu horten und später teuer an Krankenhäuser zu verkaufen, so etwas ist moralisch verwerflich. Aktien zu kaufen, weil man davon ausgeht, dass das Leben auch nach Corona wieder geordnet weitergeht, ist es nicht. Außerdem: Mit einer Krise lässt sich, zumindest für Amateur-Anleger wie mich, gar kein Geld verdienen.

Zweitens: War es schlau, auf die nächste Krise zu warten?

Die kurze Antwort: Nein. Ich habe im Juli 2017 275 Papiere für etwa 18 Euro pro Stück gekauft. Eigentlich wollte ich doppelt so viele. Aber ich hatte Angst, dass die Kurse bald stark sinken könnten. Das ist erst jetzt eingetreten, zweieinhalb Jahre später – und dafür umso heftiger: ein Minus von mehr als 30 Prozent. Aber: Ein Papier ist immer noch etwa 19 Euro wert. Der Kurs ist also zwischendurch stärker gestiegen, als er jetzt gefallen ist.

Die Entwicklung des MSCI ACWI seit dem 5. Juli 2017.
Foto: justetf.com

Anstatt auf die nächste Krise zu warten, hätte ich also auch einfach meinen gewünschten Anlagebetrag, 10.000 Euro, schon im Juli 2017 anlegen können. Ich stünde heute besser da. Denn das restliche Geld lag einfach auf meinem Bankkonto herum, mit de facto null Prozent Zins. Hätte ich das wissen können? Ja, denn das ist genau der Ratschlag, den man in der Wissenschaft zum Thema Aktien findet: Man soll nicht lange überlegen, wann man Geld anlegt. Sondern einfach das Geld in Aktien investieren, das man längere Zeit nicht braucht, und die Papiere dann verkaufen, wenn man es wieder braucht.

Keiner kann die Entwicklung der Börse vorhersehen, und wer Ihnen etwas anderes erzählt, ist ein Schwindler (mehr dazu hier). Wer Aktien kauft, legt das Geld langfristig an. Egal wie lange eine Krise dauert, mit der nötigen Geduld kann man sie durchtauchen.

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Sollte man mit der Anlage auf den Crash warten? Nein.
Foto: AP / Richard Drew

Es war also nicht sehr klug, auf die nächste Krise zu warten. Wer aber sowieso schon länger in Aktien investieren will, der hat jetzt Glück und eine gute Zeit erwischt, sagt der deutsche Anlageberater Gerd Kommer. Denn auch wenn das Warten auf die Krise keine erfolgreiche Strategie ist, ist die Erwartung auf Kurssteigerungen, rein statistisch, jetzt höher. Die Kurse sind im Verhältnis zu langfristigen Gewinnen von Unternehmen derzeit niedriger als vorher.

Robert Shiller, Ökonomie-Nobelpreisträger, hat dafür einen berühmten Indikator entwickelt. Der geht, vereinfacht gesagt, so: Über lange Zeit betrachtet ist der Börsenwert einer Firma 17-mal so hoch wie ihr Jahresgewinn. Derzeit liegt dieser Wert bei 23. Im Jänner war er noch bei 31. Aktien sind also, historisch betrachtet, noch immer teuer, aber derzeit billiger als noch vor kurzem. Das heißt aber wiederum nicht, dass es eine gute Strategie ist, die Anlageentscheidung nach diesem Indikator auszurichten. Wenn man gerade aber sowieso Geld anlegen will, "ist die erwartete Rendite jetzt höher", sagt Kommer.

Drittens: Was habe ich genau gemacht?

Vor drei Jahren habe ich mir einen ETF gekauft, der den MSCI ACWI nachbildet (mehr hier). Das ist ein breiter Index, der die Entwicklung der Weltwirtschaft widerspiegelt. Kurz darauf fand ich heraus, dass es ein billigeres Papier gibt, das dasselbe macht: der Vanguard FTSE All World. Vanguard ist eine legendäre Firma, denn ihr mittlerweile verstorbener Gründer, John Bogle, hat die ETF-Revolution losgetreten, von der kleinere Anleger wie ich nun profitieren.

Ich habe diese Woche also nicht nur neues Geld in Aktien investiert, ich habe meinen alten ETF auch "getauscht". Also um etwa 19 Euro pro Stück verkauft und mir von dem Geld den billigeren Vanguard-ETF gekauft. Kurz dachte ich auch daran, auf den MSCI ACWI IMI zu wechseln, der auch kleinere Unternehmen beinhaltet. Mein Ziel ist ja, möglichst breit aufgestellt zu sein und auf die Entwicklung der Weltwirtschaft zu setzen.

Das wäre mit diesem Papier etwas besser möglich. Die Letztentscheidung hat mir der Anlageberater Gerd Kommer erleichtert: Er würde auf minimal mehr Streuung verzichten, weil das Vanguard-Papier einfach billiger ist. Und mit der Zeit wird aus 0,1 Prozentpunkten mehr an Gebühren pro Jahr doch ein beträchtliches Sümmchen. (Andreas Sator, 12.4.2020)