Eine Aufnahme aus dem Tiroler Ort Lienz von Mitte März. Die dortige Bürgermeisterin Elisabeth Blanik (SPÖ) kann sich die erforderlichen Investitionen nach der Krise aus heutiger Sicht nicht leisten, erzählt sie.

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Bald wird es für viele Städte und Gemeinden "öha", wie es SPÖ-Kommunalsprecher Andreas Kollross ausdrückt. Wenn nicht schnell etwas passiert, könnte die Corona-Krise viele Orte über den Sommer in die Zahlungsunfähigkeit treiben, glaubt der Trumauer Bürgermeister. Auch für die Gemeinde in Niederösterreich könnte es bald knapp werden. "Über den Sommer schaffe ich es noch locker", sagt Kollross. "Wenn die Krise aber länger andauern sollte und die Arbeitslosigkeit nicht zurückgeht, bekomme ich spätestens am Jahresende ein Problem."

In diese missliche Lage könnten einige Städte und Gemeinden rutschen, weil die Coronavirus-Krise ihre wesentlichen Einnahmequellen zunehmend austrocknet.

Einbußen bei der wichtigsten Einnahmequelle

Einen Einbruch erwarten Stadt- und Gemeindechefs bei der Kommunalsteuer, die sie pro Arbeitsplatz bekommen. Nicht nur durch die Arbeitslosigkeit, sondern auch durch die Kurzarbeit, die nicht kommunalsteuerpflichtig ist, wird weniger Geld von den Betrieben in die Ortskassen fließen. 2,5 Milliarden Euro waren das laut Schätzungen des Gemeindebunds 2019 (ohne Wien). Laut Daten des Zentrums für Verwaltungsforschung (KDZ) machen die Kommunalsteuern ein Zehntel der Gemeindeeinnahmen (knapp 22 Milliarden Euro) aus. Vor allem in Städten und Tourismusgemeinden kann ihr Anteil aber deutlich höher sein.

In den Kommunen hart aufschlagen dürften aber vor allem die Verluste bei ihrer wichtigsten Einnahmequelle: den Ertragsanteilen. "Weil es alle Gemeinden trifft", sagt Kollross. "Besonders die, die nur davon leben." In Trumau steht immerhin eine Hofer-Logistikstelle, die weiter läuft und Steuern abwirft.

Konkret geht es bei den Ertragsanteilen um die Aufteilung der Gesamtsteuereinnahmen auf Länder und Gemeinden. Etwa sieben Milliarden Euro entfielen 2019 auf Städte und Kommunen (ohne Wien). Der Wirtschaftsshutdown wird die Steuereinnahmen schmälern und damit auch die Ertragsanteile, laut KDZ etwa 30 Prozent der Gemeindeeinnahmen.

Innsbruck bereitet Sparkurs vor

Bei den Bürgermeistern herrscht Ungewissheit. Wie sehr die Krise die Städte und Kommunen belasten wird, das fragt man sich derzeit in allen Rathäusern. In der 12.000-Einwohner-Stadt Lienz in Tirol wird der Bürgermeisterin Elisabeth Blanik (SPÖ) "angst und bange", weil die Ersten bereits darüber nachdenken, ihre Geschäfte zu räumen. Nach der Krise werde es Investitionen brauchen. Nur fehle ihr aus heutiger Sicht das Geld dafür.

In Innsbruck bereitet der grüne Bürgermeister Georg Willi bereits einen Sparkurs vor, "weil weniger Geld für die Stadt vorhanden sein wird". Sollten die Einnahmen derart wegbrechen, dass der laufende Betrieb nicht mehr finanziert werden kann, "wird eine finanzielle Unterstützung der Gemeinden durch den Bund beziehungsweise durch die Länder unumgänglich sein", sagt Willi.

Schwechat trifft vor allem der Kommunalsteuer-Einbruch durch den größten Arbeitgeber des Ortes hart, durch den Flughafen Wien-Schwechat. "Das Einvernehmen mit dem Flughafen ist gut, wir werden uns etwas ausverhandeln, aber der Einnahmenrückgang wird uns über Monate begleiten", sagt die dortige Bürgermeisterin Karin Baier (SPÖ). Im September 2021 soll in Schwechat zudem eine neue Schule fertig werden. Der Bau werde durch die Maßnahmen der Corona-Krise teurer, glaubt sie. Mitunter durch Lieferverzögerungen. "Das Budget wird wie bei vielen anderen Gemeinden nicht annähernd halten."

Bürgermeisterpartei ÖVP stimmt gegen Finanzhilfen

Auch der niederösterreichische ÖVP-Landtagsabgeordnete und Ortschef Martin Schuster rechnet mit einem "dramatischen" Einbruch. Investitionen in den Straßenbau und für andere Projekte liegen in Perchtoldsdorf auf Eis, "bis Klarheit herrscht". Diese werde es aber geben, glaubt er. In Niederösterreich soll den Gemeinden beim Finanzrahmen mehr Spielraum eingeräumt werden.

Im Nationalrat spielen die Kommunalfinanzen noch keine große Rolle. Ein Entschließungsantrag von Kollross und der SPÖ-Abgeordneten Katharina Kucharowits, in dem die türkis-grüne Bundesregierung aufgefordert wird, die Ausfälle für Gemeinden zu tilgen, lief ins Leere. Dieser wurde von der ÖVP, die die deutliche Mehrheit der 2.096 Bürgermeister stellt, wie auch von Grünen und Neos abgelehnt. Dafür stimmte neben den Sozialdemokraten nur die FPÖ. Warum die ÖVP dagegen gestimmt hat, blieb unbeantwortet.

KDZ-Expertin Mitterer: "Es wird Investitionsprogramme brauchen"

Karoline Mitterer, wissenschaftliche Mitarbeiterin des KDZ, arbeitet derzeit an einer Prognose für die Gemeinden. Aus ihrer Sicht befinden sich die Kommunen in einem engen Korsett. Auf der einen Seite warten Einnahmeneinbrüche bei den Ertragsanteilen und der Kommunalsteuer, was Städte und Tourismusgemeinden besonders treffen werde. Auf der anderen Seite "lassen sich die Ausgaben nicht wirklich reduzieren". Das Gemeindepersonal sei von der Kurzarbeit ausgenommen. Kindergärtnerinnen etwa müssten auch ohne Arbeitsleistung weiter voll bezahlt werden, während derzeit viele Gemeinden keine Elternbeiträge mehr einheben. Die Anteilszahlungen der Gemeinden für Sozial- und Krankenanstalten werden aus Mitterers Sicht durch die Krise obendrein ansteigen.

Kurzum: Es wird kurzfristig Hilfen von Bund und Ländern und langfristig Investitionsprogramme brauchen, sagt Mitterer. Nach der Finanzkrise 2009 seien die Investitionen der Gemeinden erst durch solche Anschübe wieder wirklich angezogen. (Jan Michael Marchart, 8.4.2020)