Ruby und Billy (Merrit Wever und Domhnall Gleeson) brechen ihre Vergangenheit ab und steigen zuerst in den Zug: "Run", in der Nacht auf 13. April auf mobilen Diensten von Sky abrufbar.

Foto: Sky / HBO

Fast immer geht es einfach um den richtigen Zeitpunkt. Dann gibt es nichts mehr zu verhandeln, nichts aufzuschieben, sondern es gilt, Dinge in die Hand zu nehmen, handeln. Wann dieser Punkt gekommen ist, lässt sich im nachhinein schwer feststellen. Man weiß es einfach. Ruby weiß, dass es richtig ist, auf die SMS zu antworten, die Billy ihr geschrieben hat. Billy, den sie vor 17 Jahren zum letzten Mal gesehen und mit dem sie eine Abmachung getroffen hatte: Eine SMS mit einem einzigen Wort, und sie lassen alles liegen und stehen und eilen zum anderen, der gerade nicht mehr weiter weiß. Wie in dem Song von Carole King: "You just call out my name / And you know wherever I am / I'll come running, to see you again / Winter, spring, summer or fall... "

Und rennt

"Run" hat Ruby auf ihrem Handy stehen, als sie mit ihrem Auto gerade auf einem Parkplatz steht. "Run" – das ist das Codewort, und wenn auch Ruby jetzt "Run" schreibt, dann ist es fix. Ruby schreibt "Run". Und rennt.

HBO

So die Ausgangssituation der HBO-Serie "Run", die ab Freitag auf mobilen Diensten von Sky abrufbar ist. Welchen Rattenschwanz an Problemen eine solche Entscheidung nach sich zieht, von der man zum Zeitpunkt, da sie getroffen wurde, eben noch nicht weiß, ob es die richtige war, davon erzählt die Serie. Wege entstehen dadurch, dass man sie geht, sagte Kafka. Für Ruby und Billy (Merrit Wever und Domhnall Gleeson) bedeutet das zunächst vereinbarungsgemäß: New York, Central Station, Zug nach Chicago.

Zwischen Liegewagen und Speiseabteil

Warum hat Billy "Run" geschrieben, und warum hat Ruby geantwortet? Davon erzählen die ersten Folgen der achtteiligen Serie, die sich zwischen Liegewagen, Zugtoilette, Speiseabteil und Sitzplätzen abspielen. Unglücklich in ihrem Leben waren sie beide, er ein nach außen hin erfolgreicher Lifecoach, sie eine gescheiterte Architektin und jetzt mit einem eitlen Egoisten verheiratete Mutter zweier Kinder. "Wir streiten nie", sagt Ruby. "Aber innerlich diskutiere ich mit ihm die ganze Zeit." Das alte Leben aufzugeben und neu zu starten, davon träumen viele, aber so einfach ist das nicht. Die Vergangenheit holt beide ein.

Daraus entspinnt sich ein vergnügliches, bisweilen scharfsinniges Katz-und-Maus-Spiel, das die absurden Alltagsfahrten vor Augen führt. Vicky Jones ("Crashing") hat das Drehbuch entwickelt und die Serie zusammen mit Phoebe Waller-Bridge ("Fleabag") produziert. Alles zusammen wechselt die Serie etwas unentschlossen zwischen Comedy, Beziehungsdrama und – mit dem Auftritt von Billys Ex Fiona (Archie Panjabi) – Psychothriller. Dass "Run" über weiten Strecken funktioniert, hängt vor allem mit Merrit Wever ("Nurse Jackie", "Godless", "Unbelievable") zusammen, die hier ihr komödiantisches Talent immer wieder ausspielen kann. Anspieltipp: Die Sex-Versuchsszene im Liegewagen-Abteil in der dritten Folge. Groß. (Doris Priesching, 9.4.2020)


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