Gekocht hat Gregor Schlierenzauer immer gerne. In den Genuss der nach Rezepten von Fans erzielten Ergebnisse kommt derzeit auch sein Bruder Lukas, ein Kunstbahnrodler.

Vor genau vier Wochen, am 12. März, legte die Saison der Skispringer in Trondheim quasi eine unsanfte Landung hin – Abbruch während der Raw Air genannten Sprungserie in Norwegen, Schluss noch vor dem letzten Höhepunkt, der Skiflug-WM in Planica. Die hereinbrechende Corona-Pandemie trieb die kleine Gemeinde aus Skispringerinnen und Skispringer nach der hastigen Ehrung der Klassenbesten Maren Lundby und Stefan Kraft auseinander – und in die selbstgewählte Isolation.

Sich ein paar gemütliche Tage zu Hause gönnen – so lautet die Pointe eines gegenwärtig beliebten Jokes zur Frage, was man sich nach Ende der Krise wünschen werde. Unter anderen Umständen ist es aber auch eine gängige Skispringerantwort auf die Frage, was denn unmittelbar nach der kräfteraubenden Saison anstehe.

Privileg Terrasse

Auch Gregor Schlierenzauer hat sie schon öfters gegeben. Der 30-jährige Tiroler verbringt seit der Heimkehr aus Norwegen die Tage in seiner Wohnung etwas außerhalb von Innsbruck, "genießt das Privileg", über eine sonnige Terrasse zu verfügen, und wäre in der Situation, die viele Wintersportler normalerweise im anbrechenden Frühling haben – nämlich über "Zeit zu verfügen, um Abstand vom Sport zu gewinnen".

Schlierenzauer gibt allerdings zu, vom gegenwärtigen Überfluss an Zeit fast überfordert zu sein. "Ich habe seit Jahren einen straffen Plan. Ganz ohne Zeiteinteilung in Kontakt mit mir selbst zu kommen ist eine neue Erfahrung."

Fragen über Fragen

Sie wirft für den Weltrekordweltcupsieger, dessen letzter einschlägiger Erfolg mehr als vier Jahre zurückliegt, Fragen auf. "Was macht mich über den Sport hinaus aus?", zum Beispiel. Schlierenzauer denkt intensiver an die Zeit danach.

Zuletzt sei es ihm so während der langen Verletzungspause 2016 gegangen. Er absolvierte seinerzeit eine Coachingausbildung, "auch, um aus dem Hamsterrad auszusteigen". In diese Richtung könnte es auch gehen, wenn die Schanzen, das Streben nach dem besten Sprung, den zwölffachen Weltmeister nicht mehr locken sollten. Schlierenzauer möchte, wenn auch nicht als Trainer – "ich hätte nur schwer die Geduld dafür" –, weitergeben, was er aus der Lebensschule Sport mitgenommen hat, "aber man muss jetzt einmal die Kirche im Dorf lassen. Letztlich bin ich ein Handelsschulabsolvent."

Rezeptvorschläge

Ein vielseitig interessierter immerhin, der momentan intensiv seiner Kochleidenschaft frönt. Unterstützt wird sie durch Rezepte, die ihm Fans nach seinem Aufruf geschickt haben. In den Genuss der doch eher gesund zu nennenden Küche kommt der jüngere Bruder Lukas, ein Kunstbahnrodler, der die Isolation seit einigen Tagen teilt.

Zusammen fällt auch das Training leichter. "Das läuft ja im Grunde ganzjährig durch", sagt Gregor Schlierenzauer. Erste Trainingskurse wären üblicherweise im Mai fällig, absehbar sind sie aktuell nicht.

Die Planung für die neue Saison, die mit dem Mattenspringen im Sommer abheben sollte, steht allerdings – Schlierenzauer wird weiter selbst in die Zusammenarbeit mit Werner Schuster, seinem ehemaligen Förderer in Stams und Ex-Chefcoach der deutschen Skispringer, investieren. Der Kontakt ist eng. Mit dem neuen österreichischen Cheftrainer Andreas Widhölzl, dem Nachfolger von Andreas Felder, ist bereits alles abgesprochen.

Nicht schnipp, schnapp

In der vergangenen Saison hat Schlierenzauer "nicht ganz das erreicht, was ich wollte. Der letzte Step hat gefehlt. Aber ich war auch vier Jahre völlig weg, da darf man nicht erwarten, dass man schnipp, schnapp wieder da ist."

Abgeschlossen hat der zweimalige Weltcupsieger die Saison als viertbester Österreicher auf dem Gesamtrang 20. Dem Nachwuchs einen Platz genommen hat er also nicht. Richtig knapp dran am ersehnten 54. Einzelsieg im Weltcup war er allerdings auch nie. Viermal landete der Stubaier unter den besten zehn, das beste Ergebnis gelang recht früh in der Saison, Anfang Dezember 2019 mit Rang vier im ersten Springen von Nischni Tagil, Russland.

Das passt auch gut zur Selbsteinschätzung, "dass ich am Ende des Sommers knapper dran war, als ich es dann im Winter zeigen konnte". Dem Druck, der sich in Richtung des ersten Saison höhepunkts, der Vierschanzentournee, aufgebaut hatte, konnte selbst der Routinier nicht völlig standhalten.

Diese Saisonbilanz, sagt Schlierenzauer, habe sich in den vergangenen Tagen aber ohnehin ganz ordentlich relativiert. (8.4.2020, Sigi Lützow)