Als im Herbst letzten Jahres mein Kollege Ragnar Orten Lie freudestrahlend vom Fund des allerersten Gullblikks (sprich: Güllblick, früher auch als Gullgubbe bezeichnet) in der Vestfold Fylke berichtete, verstand ich zunächst nur Bahnhof. Weder war mir das Wort geläufig, noch seine Bedeutung, und schon gar nicht, warum auf einmal alle aufgeregt auf einem Haufen zusammenstanden und sich über Ragnars Hand beugten. Nach einigen Minuten des Wartens war ich an der Reihe und sah ein dünnes, circa 1,5 Quadratzentimeter großes Plättchen aus gehämmertem Gold, auf einer Seite mit einem getriebenen Motiv verziert.

Der Gullblikk von Hovland. Winzig und doch bedeutsam.
Foto: VTFK

Rund 3.000 Gullblikke wurden bis heute in Dänemark, Schweden und Norwegen gefunden, die allermeisten, nämlich rund 2.500, stammen aus der eisenzeitlichen Siedlung Sorte Muld auf der Dänischen Insel Borneholm. Auch Schweden kann mit einigen hundert Gullblikken aus Fundorten wie Uppåkra aufwarten. Aus Norwegen sind dagegen erst 77 Exemplare aus acht Fundstellen, darunter die Mære-Kirche in Trøndelag und Borg auf den Lofoten, bekannt. Aus der Region Vestfold – die mit den Schiffsgräbern von Gokstad und Oseberg, den Handelsplätzen Kaupang und Heimdaljordet und den monumentalen Grabhügeln in Borre ja mit einem nicht gerade unbedeutenden eisenzeitlichen Erbe aufwarten kann – gab es bisher keinen einzigen Vertreter dieser Fundgattung.

Einige der rund 2.500 Gullblikke aus der eisenzeitlichen Siedlung Sorte Muld auf der Dänischen Insel Borneholm.
Foto: Martin Stoltze, CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/

Von der Völkerwanderung bis zu den Merowingern

Gullblikke treten in den oben genannten Ländern erstmals am Ende der Völkerwanderungszeit (400 bis 575 nach Christus) auf und sind bis zur Wikingerzeit (800 bis 1030 nach Christus) in Gebrauch. Während außerhalb Norwegens die meisten Exemplare der Merowingerzeit zugeordnet werden, datieren die bekanntesten Funde hierzulande in die Wikingerzeit.

Gullblikke zeigen verschieden Motivtypen, darunter das sogenannte Paarmotiv: eine Frau und ein Mann, einander zugewandt, manchmal in einer Art Umarmung, dazwischen fallweise Gegenstände, zum Beispiel ein Apfel, ein Stock oder Ast oder auch ein Ring. Andere Motivgruppen zeigen einzelne Männer und Frauen oder Tiere; selten kommen die Goldplättchen ganz ohne Verzierung vor.

Die Bedeutung und Verwendung der Gullblikke ist nicht restlos geklärt. Eine Möglichkeit versteht das Paarmotiv als Symbol der heiligen Verbindung zwischen dem Wanengott Freyr und der Riesin (eigentlich Jotunkvinne) Gerd, bekannt aus dem Kvad Skírnismál in der Älteren Edda, und interpretiert es als Gabe, verbunden mit der Bitte um Fruchtbarkeit. Neuere Funde vor allem aus Uppåkra in Südschweden, wo Gullblikke in Gräben und Pfostenlöchern einer Art Tempel deponiert waren, und aus Sorte Muld, wo die Goldplättchen konzentriert im Gebäude eines eisenzeitlichen Hauses gefunden wurden, deuten allerdings eher auf eine Verwendung als Votivgabe. Hinzu kommt, dass viele der Gullblikke in Sorte Muld und Uppåkra kein Paarmotiv, sondern einzelne Figuren zeigen.

Illustration des Motivtyps, der auf dem Gullblikk von Hovland abgebildet ist.
Foto: Bergen Museum

Der Gullblikk von Hovland, ein relativ großes Exemplar, zeigt ein Paarmotiv, das mit einem Perlenmuster umrandet ist. Der Mann und die Frau tragen knöchellange Gewänder. Das Haar der Frau ist aufgesteckt, und sie trägt einen Halsschmuck, den man als Brisingamen, den Schmuck der Göttin Freya, interpretiert.

Das Motiv des Gullblikks im Detail.
Foto: VTFK

Die Gullblikke aus Norwegen wurden zumeist auf prominenten Fundstellen entdeckt, deren Ortsnamen mit der Nordischen Mythologie verknüpft sind. Das trifft auch im Fall des Gullblikks von Hovland zu, wo "Hov" auf eine Art Herrschaftssitz hinweist. Ganz in der Nähe von Hovland liegt außerdem der Fundort des Klåstadschiffs, eines wikingerzeitlichen Lastenschiffs, und der Handelsplatz Kaupang.

Der erste Fund eines Gullblikks in Vestfold ist aber nicht nur spannend in Hinblick auf das Fundstück selbst, er war rückblickend auch von großer Bedeutung für eine weitere, womöglich noch wichtigere Entdeckung in Hovland. Mehr darüber gibt es in meinem nächsten Beitrag zu lesen. (Petra Schneidhofer, 14.4.2020)