Allein und doch in vielen Wohnzimmern: Pfarrerin Alexandra Battenberg trotzt im Scheinwerferlicht dem Virus und lädt zur Onlinemesse.

Foto: Benjamin Battenberg

Die erste Reihe in der Heilig-Geist-Kirche in Schwechat ist in den Tagen der Krise stets gut gefüllt. Zwei Webcams, Tontechnik, Lichtanlage, Beamer, Audiosystem – alles das trägt im Moment die Kirchenbank im Zentrum der evangelischen Gemeinde. Irgendwo dazwischen hat Alexandra Battenberg ihren Platz gefunden. Die gebürtige Tirolerin ist Pfarrerin in Schwechat – angesichts der aktuellen Corona-Maßnahmen ist sie ziemlich einsam in den Gottesdiensten. Und das in der Osterzeit – quasi mitten in der christlichen Hauptsaison.

Nur kurz habe es einen Moment des Haderns gegeben, sagt die Mutter dreier Kinder im Gespräch mit dem STANDARD: "Natürlich war da Wehmut. Ich habe mir gedacht, jetzt wird alles ausfallen." Doch schnell sei ihr klar geworden, dass sie eigentlich "zu 90 Prozent" alles weitermachen könne. Kurzerhand wurde die Kirche zum Multimediatempel umfunktioniert. Und seit Beginn der Corona-Maßnahmen ist die Pfarrerin jeden Sonntag um 10.15 Uhr live on air. Die anfänglichen Schwierigkeiten sind längst beseitigt, heute läuft der Cyber-Gottesdienst ohne Probleme. "Zu Beginn haben wir 0,5 Megabit gestreamt. Es war eine ziemlich zähe Gottesdienstfeier. Aber selbst da sind 80 Gläubige bis zum Schluss dabei geblieben."

Mittlerweile hat man ordentlich nachgerüstet, und es mögen Gottes Mühlen immer noch langsam mahlen – doch das Internet in Schwechat pfeift.

Mit der Bibel auf dem Tisch

Und nicht nur dort. Anderer Ort, selbe Problemlage: die katholische Pfarre Strebersdorf. Dort hat Pfarrer Franz Schuster schon sehr früh auf virtuelle Messen umgestellt – Mitte März nämlich. "Es war hierfür vorerst nicht viel vorbereitet, da wir zuvor noch nie live übertragen haben", sagt er. Er wisse, dass das Angebot, mit ihm die Messe zu feiern, gern genutzt werde. Schuster: "Viele Menschen sitzen zu Hause, haben die Bibel oder ein Kreuz auf dem Tisch liegen oder haben das Gotteslob aufgeschlagen, eine Kerze angezündet und singen mit." Die Menschen seien sehr dankbar, "dass wir das machen". In Zahlen: Vergangenen Sonntag waren allein via Youtube 170 Computer zugeschaltet, insgesamt hätten rund 400, 500 Menschen mitgefeiert. Zu fünft – Pfarrer, Organist, Kaplan, Ministrantin und ein Techniker – steht man in der Kirche. Mittlerweile können Lesungen sogar live eingespielt werden.

Wie in Strebersdorf gilt auch in Schwechat: Ungewohnt war nicht nur die Technik. "Vor leeren Kirchenbänken zu predigen ist durchaus gewöhnungsbedürftig", sagt die evangelische Pfarrerin Battenberg.

Doch sehr rasch hat die Pfarrerin dann gemerkt, dass die Verkündigung im Netz durchaus ihre Vorteile hat: "Wir erreichen jetzt deutlich mehr Menschen. Vor allem jene, die am Sonntag länger schlafen und sonst nicht in die Kirche kommen, machen das jetzt gemütlich von der Couch aus." Auch gebe es durch die Aufzeichnungen die Möglichkeit, Gottesdienste nachzusehen. "Also wir werden unser Streamingportal sicher auch nach der Corona-Krise weiterbetreiben."

Pfarrer Schuster sieht das eher als Ausnahme denn als Alternative: "Nach der Krise werden wir zur bisherigen Form der Messfeier zurückkehren, Livestreams eventuell aber manchmal zusätzlich anbieten." Es sei einfach viel schöner, den Gottesdienst gemeinsam in der Kirche feiern zu können. Er ist sich sicher: "Da entsteht ein viel stärkeres Gemeinschaftsgefühl."

Technischer Support

Schuster wie Battenberg sind längst nicht die Einzigen, die ins Internet ausgewichen sind. In der katholischen Diözese Wien heißt es etwa, dass es sehr viele Anfragen seitens der Pfarrer gebe – auch nach technischem Support.

Dementsprechend sieht auch der evangelische Bischof Michael Chalupka trotz leerer Kirchenräume jedenfalls seine Kirche als einen "Ort der Fülle". Chalupka: "Dass keine öffentlichen Gottesdienste gefeiert werden können, schmerzt natürlich. Aber wir erleben gerade eine große Karfreitagserfahrung. Die Illusion einer intakten Welt, perfekt, ohne Leid und Angst, ist gerade zerplatzt." Der Karfreitag lenke den Blick auf das Leiden der Welt. Das werde heuer so spürbar wie lange nicht.

Bei den kommenden Osterfeierlichkeiten werden neben Streams auch Fernseh- und Radiostationen Messen übertragen. Und längst werde auch schon an einem Stufenplan in Richtung Normalität gearbeitet.

Bischof Chalupka erinnert auch an eine Tradition des österreichischen Protestantismus: "In der Zeit der Gegenreformation, im Geheimprotestantismus, konnten die Evangelischen rund 180 Jahre – bis 1781 – keine öffentlichen Gottesdienste feiern. Deshalb feierten die Familien in ihren Häusern Hausgottesdienste." (Peter Mayr, Markus Rohrhofer, 9.4.2020)