"Zuhause bleiben", so lautet das Gebot der Stunde. Doch für viele Frauen genau das gefährlich.

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Wien – Die Coronakrise verschärft die Situation häuslicher Gewalt. Die bisher von der Regierung dagegen gesetzten Maßnahmen sollten nur ein erster Schritt gewesen sein, forderte Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF), am Mittwoch. Rasche Abhilfe könnten etwa Hotelöffnungen oder auch ein Codewort für diskrete Hilfe leisten.

"Wir wissen noch nicht genau, wie sehr die derzeitige Situation zu einem Anstieg an häuslicher Gewalt führt, aber es gibt bereits eindeutige Anzeichen für eine Zunahme", sagte Rösslhumer in einem Online-Pressegespräch. So stiegen die verhängten Betretungs- und Annäherungsverbote im März leicht an. Zudem würden seit Beginn der Ausgangsbeschränkungen 50 bis 70 Prozent mehr Anrufe bei der Frauenhelpline eingehen. "Der Anstieg hängt wohl auch mit der Informationskampagne des Frauenministeriums zusammen. Das war ein sehr wichtiger Schritt", meinte die AÖF-Geschäftsführerin.

Vieles verschwindet in die Innenräume

Ebenfalls wichtig sei die Zusicherung der Landesregierungen, weitere Schutzplätze für Frauen zu schaffen. Schließlich würden manche Frauenhäuser bereits keine weiteren Frauen aufnehmen können. Andere hingegen hätten noch Platz, erklärte Rösslhumer.

"In der gegenwärtigen Krise verschwindet vieles in die Innenräume. Es kommt dadurch zu mehr häuslicher Gewalt. Eine Kampagne allein reicht nicht aus", meinte die Vorsitzende des Ausschusses für Frauenrechte und Gleichstellung im EU-Parlament Evelyn Regner (SPÖ). In Frankreich verzeichne man bereits einen 30-prozentigen Zuwachs an häuslicher Gewalt. Auch die Ebolakrise in Westafrika habe damals zu einem markanten Gewaltanstieg gegenüber Frauen geführt. Um gegenzusteuern brauche es unbürokratische und niederschwellige Angebote und Maßnahmen.

"In Spanien können Frauen in Apotheken gehen und mit einem einfachen Codewort dem Personal diskret ihre Notsituation mitteilen. Daraufhin verständigt das Personal die Polizei. So etwas wäre nach einer Schulungsphase sicherlich in Österreich möglich", zeigte sich Regner überzeugt. Eine andere Maßnahme wäre, wie manche Länder bereits vorzeigen, Hotels für Betroffene zu öffnen.

Hohe Folgekosten

Oft bieten vor allem Nichtregierungsorganisationen effiziente und kostengünstige Hilfe für Frauen und Mädchen in Notlagen an. "Diese müssen unbürokratisch an Gelder aus diversen Notfallfonds gelangen, um ihren Betrieb aufrechterhalten zu können. Die andernfalls entstehenden Folgekosten wären katastrophal", sagte Regner.

Margarete Bican, Geschäftsführerin der Mädchenberatungsstelle "sprungbrett" in Wien, wartet etwa immer noch auf eine Zusage für die heurige Förderung der Organisation. "Wir arbeiten dennoch auf Hochtouren und merken, dass mindestens 80 Prozent unserer Klientinnen nicht gut mit den Ausgangsbeschränkungen zurecht kommen", sagte sie. Viele würden unter sehr engen Bedingungen leben und könnten zum Teil nicht telefonieren. "Manche gehen auch gar nicht vor die Türe, weil in den Haushalten geglaubt wird, man dürfe jetzt nicht hinaus. Es braucht hier dringend Aufklärungsarbeit", forderte Bican. (APA, 9.4.2020)