In Zeiten der Krise verbreiten sich zahlreiche Falschnachrichten.

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Die Journalistin und Social-Media-Expertin Ingrid Brodnig sammelt Beispiele von Fake-News, unbelegten Behauptungen – und deren Entkräftung. Folgend ein Überblick über aktuelle Falschnachrichten, die Brodnig im Gespräch erklärt.

Grundsätzlich hält Brodnig in dieser Woche fest, dass sich die Art der Spekulationen anscheinend verändert hat. Ganz zu Beginn der Aufregung fielen enorm sichtbare Kettenbriefe auf. Nun flammen viele "klassische Verschwörungstheorien" auf. Die Verbreiter sind für die Journalistin allerdings hauptsächlich "Trittbrettfahrer", die die momentane Situation nutzen, um ihre Ansichten zu verbreiten.

Ramadan statt Ostern

Schlichtweg falsche Behauptungen sorgen derzeit für Wut über Muslime. So wird laut Brodnig die Behauptung verbreitet, das christliche Ostern falle (aufgrund der Ausgangssperren) aus, während der muslimische Ramadan stattfinden solle. Behauptet wird, dass in Dortmund eine große Feier namens "Festi Ramadan" stattfinde.

"Das ist Unsinn", so Brodnig. "Schon vor Wochen wurde diese Feier abgesagt. Diese veraltete Behauptung kursiert aber weiterhin im Netz." Was man hier sehe, sei die Neuauflage eines schon älteren Typs der Falschmeldung: "Immer wieder werden falsche Behauptungen aufgestellt, dass muslimische Bürgerinnen angeblich besser behandelt würden als der Rest. Und aktuell gibt es diese Art des Gerüchts auch mit Coronavirus-Bezug."

Ein Beispiel: Fast jedes Jahr gibt es zu Ostern im Netz eine Aufregung, dass Schoko-Osterhasen, beispielsweise von Milka, "Schmunzelhasen" heißen. Oft wird das mit der Behauptung eines "Kniefalls vor dem Islam" verbunden – dabei heißen sie seit 1973 so.

Impfgegner und das Coronavirus

Impfgegner nutzen laut der Journalistin derzeit das Coronavirus, um ihre Thesen zu verbreiten, indem etwa alte Behauptungen "neu aufgekocht" werden. So heiße es derzeit in einigen Posts und E-Mails, dass es Viren grundsätzlich nicht gebe. Brodnig bringt ein Beispiel für ein solches Schreiben: "Hat jemand von euch schon einmal einen Virus gesehen? Oder kennt jemand von euch einen Arzt oder Wissenschafter, der so einen Virus schon mal wissenschaftlich nachgewiesen hat?"

Dass krankmachende Viren eine Erfindung seien, ist laut Brodnig eine "recht alte Behauptung in der vehementen Impfgegnerszene. Hier wird eine riesige Verschwörung seitens der Medizin suggeriert."

Falsch interpretierte Expertenzitate

Eine der derzeit kursierenden unbelegten Behauptungen betrifft die normale Grippeimpfung. Demnach erhöhe diese das Coronavirus-Risiko. Konkret habe der Esoteriker und Arzt Rüdiger Dahlke auf Facebook verbreitet, der britische Staat würde Menschen über 65, die die normale Grippeimpfung bekommen haben, in die Gruppe der Höchstgefährdeten einordnen. Laut Brodnig eine "irreführende Behauptung".

Vielmehr werde hier das Zitat eines staatlichen Gesundheitsbeauftragten falsch interpretiert. Dieser hatte sich lediglich darauf bezogen, dass in Großbritannien der Staat Menschen ab 65 schon jetzt die Grippeimpfung gratis zur Verfügung stellt. Derzeit wird davon ausgegangen, dass Personen ab diesem Alter ebenfalls zur Risikogruppe des Coronavirus gehören.

"Hier wird ohne Beleg Angst vor der Grippeimpfung genährt", so Brodnig, die hier einen klassischen Fall von falschen Interpretationen echter Zitate sieht. "Auch das britische Gesundheitsministerium widerspricht dieser Darstellung." Auf Facebook werde unter diesem Posting bereits der Faktencheck der Deutschen Presse-Agentur eingeblendet.

Verschwörungstheorie zu 5G

"Derzeit haben selbst abstruseste Behauptungen Konjunktur", so Brodnig. Neben dem Impfen oder der angeblich geplanten Abschaffung des Bargelds gehe es häufig auch um das 5G-Netz. Bereits vor der Corona-Krise existierten viele Gerüchte über diesen neuen Mobilfunkstandard – seit ein paar Wochen kursiert die These, 5G würde Covid-19 auslösen, wofür es allerdings keine Belege gebe.

Zusätzlich spricht gegen diese Behauptung, dass Covid-19 auch in einigen Ländern verbreitet ist, die beim 5G-Ausbau hinterherhinken – wie etwa Frankreich. In Großbritannien wurden laut Brodnig bereits Mobilfunkmasten angezündet, und es besteht der Verdacht, dass dies mit der aufgeheizten Stimmung rund um 5G zusammenhängt. "Man sollte Verschwörungstheorien ernst nehmen, weil sie Feindbilder kreieren und potenziell einzelne zum Handeln bewegen."

Was man laut Brodnig deutlich sieht: "Anhänger unterschiedlicher Verschwörungstheorien nutzen das Coronavirus, um auf ihr Anliegen hinzuweisen; mal sind angeblich Impfungen schuld, mal ist es 5G. Die aktuelle Phase der Unsicherheit hilft anscheinend auch den Fans solcher Thesen bei der Verbreitung." In Phasen der Unsicherheit würden besonders viele "steile Thesen" verbreitet. (red, APA, 9.4.2020)