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Wasser in der Lunge ist ein Alarmsignal auf den Covid-Intensivstationen.

Foto: Reuters

Auf den Intensivstationen der österreichischen Covid-Kliniken kämpfen Patienten derzeit ums Überleben. Hat das Virus erst einmal die Lunge befallen, wird die Sauerstoffversorgung sukzessive schlechter. Im schlimmsten Fall kommt es zu einem Versagen der Lunge – "Acute Respiratory Distress Syndrom" (ARDS) lautet dann die Diagnose, die eine künstliche Beatmung unter Narkose notwendig macht.

"Wir arbeiten seit Jahren an einem Medikament, das dieses Lungenversagen abwendet", sagt Bernhard Fischer, Leiter von Apeptico. Das Unternehmen entwickelt ein Medikament namens Solnatide. Es ist seit einem Jahr im Rahmen einer klinischen Zulassungsstudie im Einsatz, das heißt: Es hat die vielen Sicherheitshürden, um beim Menschen zum Einsatz zu kommen, bereits hinter sich.

Wasser in den Lungen

Akutes Lungenversagen ist zwar durch die Corona-Epidemie in einen ganz neuen Fokus geraten, "doch es ist auch bei Influenza die häufigste Todesursache", sagt Fischer. Auch bei einer Reihe von anderen Lungenerkrankungen ist das ARDS ein Problem, mit dem Lungenspezialisten auf den Intensivstationen zu kämpfen haben. "Solnatide ist ein Medikament für eine Akutsituation", so Fischer.

Was es konkret macht: Im Rahmen einer schweren Lungenentzündung bildet sich Wasser in der Lunge. Viele Intensivmediziner haben in den letzten Monaten berichtet, dass sich der Gesundheitszustand von Patienten, die solche Lungenödeme haben, ganz besonders rasch verschlechtert und diese an Covid-19 versterben. Der Grund: Bei einer schweren Lungenentzündung werden die Lungenbläschen, die für den Sauerstoffaustausch verantwortlich sind, durchlässig und sind plötzlich mit Flüssigkeit umspült. Das macht die Sauerstoffaufnahme zusätzlich unmöglich. Das Medikament Solnatide hat die Aufgabe, "das Wasser wieder zurück in die Lunge zu pumpen", so Fischer. Die Zellverbände sollen sich wieder schließen, damit sich auch das Gewebe wieder stabilisiert.

Letzte Chance

Im Rahmen der klinischen Studie wird Solnatide dann eingesetzt, wenn Patienten beatmet werden müssen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind bis Ende des Jahres geplant. Aus Zwischenergebnissen weiß Fischer auch, dass das Medikament für Schwerkranke einen Benefit haben muss, denn sonst wäre die Studie ja abgebrochen worden. Und den Nutzen des Medikaments sehen in der Corona-Pandemie ganz offensichtlich auch die Behörden. Apeptico hat im Auftrag der EU-Kommission eine Charge des Medikaments produziert, damit es in den Intensivstationen zur Verfügung gestellt werden kann.

In der akuten Krise, in der der Fokus der Aufmerksamkeit auf Covid-Patienten liegt, die an ARDS sterben, darf Solnatide eingesetzt werden. "Compassionate Use" ist der Fachbegriff für diese Praxis, die dann angewendet wird, wenn es keine anderen Medikamente gegen eine Erkrankung gibt und sie tödlich endet. Das ist in der Corona-Pandemie eindeutig der Fall, und damit ist auch der Einsatz gerechtfertigt, weil es Leben retten könnte.

Im Gegensatz zu vielen anderen Medikamenten, die für den Intensivbereich entwickelt werden sollen, ist Solnatide bereits in der Klinik, also am Menschen, im Einsatz. Und noch viel entscheidender: Es kann auch in ausreichender Menge produziert werden. Beides sind wichtige Kriterien, die andere Medikamentenentwickler so noch nicht leisten.

Daten sammeln

"Interessantes Konzept", findet auch der Lungenfacharzt Arschang Valipour, Vorstand für Innere Medizin und Pneumologie am Krankenhaus Nord, der allerdings noch auf die Ergebnisse der klinischen Studie wartet, um ein abschließendes Urteil fällen zu können.

Aus den derzeitigen Daten geht hervor, dass womöglich manche von diesem Medikament profitieren könnten. Einstweilen gibt es nur Daten zur Verbesserung der physiologischen Werte. "Es ist noch nicht gesichert, ob das Überleben dadurch günstig beeinflusst wird", so Valipour. Dass solche Medikamente nun zum Einsatz kommen und es sogar eine österreichische Initiative ist, wertet er als überaus positiv. (Karin Pollack, 10.4.2020)