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Linz – Wo Seuchen wüten, sagt man, lernten die Menschen beten. Pestprozessionen finden während der Corona-Krise zwar nicht statt, nicht einmal Festgottesdienste – aber eine Hinwendung zu Gott ist zumindest bei einem Teil der heimischen Bevölkerung wahrnehmbar.

"Auch wenn ich nicht am Gottesdienst teilnehmen kann, bin ich in letzter Zeit zum stillen Gebet in eine Kirche gegangen." Das sagen 15 Prozent der österreichischen Wahlberechtigten, erhoben wurde das in der in jedem Jahr vom Linzer Market-Institut durchgeführten Oster-Umfrage für den STANDARD. In Westösterreich sagen das überdurchschnittlich viele Befragte, auch Senioren zieht es eher in die Kirche als die jüngere Generation. 22 Prozent geben in dieser Umfrage an, dass ihnen die Teilnahme am Ostergottesdienst heuer abgehen wird. Auffallend oft wird das von erklärten FPÖ-Wählern angegeben – was damit erklärt werden kann, dass Anhänger der Freiheitlichen (anders als Anhänger anderer Parteien) generell Probleme mit den Einschränkungen im Zusammenhang mit der Corona-Krise haben.

Beten in der Krise

Wie ist das nun mit dem persönlichen Gebet? DER STANDARD ließ dazu eine Reihe von Fragen zu Glauben und Kirche in Zusammenhang mit der Corona-Krise den 807 repräsentativ ausgewählten Befragten vorlegen.

Dabei stimmte jeder zwanzigste Befragte voll und ganz – Note 1 auf einer fünfteiligen Notenskala – der Aussage zu: "In der Corona-Krise bete ich nun häufiger als üblich." Weitere zehn Prozent gaben einen Zweier, 17 Prozent einen Dreier. Jeder Zweite sagt aber klar, dass er oder sie nicht mehr beten würde als bisher.

Die größte Zustimmung erhält die Aussage, dass sich durch die Corona-Krise mehr Menschen Gedanken über den Tod machen – Durchschnittsnote 2,14. Die geringste Zustimmung – mit der Note 3,97 – findet der Wunsch, mit einem Pfarrer über Gott und den Glauben zu sprechen. Nur vier Prozent der Befragten spüren dieses Bedürfnis.

Was die Kirche raten kann

Man könnte daraus schließen, dass die Krise eine Chance für die katholische Kirche wäre, Menschen für den Glauben und das Leben in der Gemeinschaft der Gläubigen zurückzugewinnen. Dass diese Chance genutzt würde, kann Market-Institutsleiter David Pfarrhofer aber aus den vorliegenden Daten nicht herauslesen: "Wir haben gefragt, ob es künftig eine wichtigere Aufgabe der Kirche sein würde, Menschen in Lebenskrisen zu beraten – dem haben 36 Prozent zugestimmt. Vor vier Jahren haben wir das schon einmal gefragt, da lagen die Eurokrise und die großen Flüchtlingsbewegungen gerade hinter uns. Nach diesen Krisen meinten aber 44 Prozent, dass die Kirche die Menschen mehr in ihren Krisen beraten sollte."

Natürlich würde ein priesterlicher Rat nur Sinn ergeben, wenn die Menschen daran glauben würden, dass die Kirche überhaupt ein kompetenter Ratgeber ist.

Zu diesem Thema forscht Market im Auftrag des STANDARD seit mehr als einem Jahrzehnt.

Die entsprechende Frage lautet: "Die Zeiten werden derzeit als allgemein schwierig erlebt. Hat die katholische Kirche für die Menschen in unserer Zeit die richtigen Antworten?"

Keine zeitgemäßten Antworten erwartet

Darauf sagen nur drei Prozent der Befragten "Ja, bestimmt"; dazu kommen 19 Prozent, die sagen "Ja, eher schon". Dem stehen 46 Prozent gegenüber, die meinen, die Kirche habe "eher weniger" richtigen Rat für die Menschen der Gegenwart, 22 Prozent meinen, dass den Antworten der Kirche gar nicht zu trauen sei. (Die restlichen zehn Prozent enthielten sich der Aussage.)

Pfarrhofer betont, dass sich die Einschätzung seit Dezember 2019, als noch Hochkonjunktur geherrscht hat, nicht signifikant verändert haben: "Es gibt unverändert eine starke Mehrheit, der die Einschätzungen der Kirche bestenfalls egal sind. Seit 2008 hat in keiner einzigen Umfrage mehr als ein Viertel der von uns befragten Stichprobe von österreichischen Staatsbürgern über 16 Jahren gänzlich oder auch nur teilweise dem kirchlichen Rat getraut." Ein etwas überdurchschnittliches Vertrauen in kirchliche Antworten auf die Fragen unserer Zeit stellt Market unter Anhängern der ÖVP und auch unter jenen der SPÖ fest – was damit zusammenhängt, dass in beiden Parteien die älteren, aus Tradition mit der Kirche verbundenen Wähler überrepräsentiert sind.

Nur jeder Neunte engagiert

Apropos Tradition der Kirche: Derzeit erklären sich nur mehr elf Prozent der Befragten als in der Kirche engagiert, weitere 39 Prozent sehen sich als Taufscheinkatholiken – auch diese Werte sind seit etwa zwei Jahren stabil. In den davor liegenden Jahren waren sie tendenziell leicht gesunken. Im Jahr 2011 hatten sich noch 21 Prozent als kirchlich bezeichnet. Dennoch sagen 49 Prozent der Befragten, sie feierten zu Ostern die Auferstehung Jesu Christi – unter denen, die Christi Auferstehung finden, sind viele Taufscheinkatholiken, es feiert auch jeder Vierte der Ausgetretenen mit. Nur 13 Prozent sagen, sie seien Atheisten und "Ich mag keine Feste wie Ostern und Weihnachten".

73 Prozent nennen Ostern ein Familienfest – und in anderer Fragestellung wurde erhoben, dass Ostern für 34 Prozent keine religiöse Bedeutung hat.

Zwölf Prozent sagen schließlich: "Unsere Familie wird die wegen der Corona-Krise auferlegten Beschränkungen nicht ganz streng einhalten." (Conrad Seidl, 11.4.2020)