Die Vorwürfe gegen Immoservice24 wiegen schwer: Das Unternehmen soll unter Missachtung von Arbeitnehmerrechten Profit aus der Krise schlagen. (Symbolbild aus dem Archiv)

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Bis zur Anfrage des STANDARD war auf der Homepage von Immoservice24 noch von der "engen Zusammenarbeit" mit der Wirtschaftskammer Tirol zu lesen.

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Innsbruck – Eigentlich ist Immoservice24 ein Unternehmen, das im Tourismus beheimatet ist. In Tirol bietet die Firma seit Jahren ihre Dienste als Arbeitskräfteüberlasser für Hotellerie und Gastronomie an. Und seit Jahren gibt es Beschwerden, vor allem wegen der Entlohnung, von Arbeitnehmern, die für Immoservice24 tätig sind, sagt Bernhard Höfler, Sekretär der Gewerkschaft Pro-Ge Tirol und Mitglied des Vorstandes der Arbeiterkammer (AK).

Als nun wegen der Corona-Krise der Tiroler Tourismus zum Stillstand kam, brach auch Immoservice24 die Geschäftsgrundlage weg. Doch Geschäftsführer und 100-Prozent-Gesellschafter Patrick Steffens sattelte kurzerhand um und bietet seine Dienste als Arbeitskräfteüberlasser nun in der Landwirtschaft an. Das Geschäftsmodell funktioniert so: Immoservice24 vermittelt Erntehelfer an Tiroler Bauern. Diese bezahlen pro Person und Arbeitstag, der 7,5 Stunden dauert, pauschal 120 Euro netto an Immoservice24 – auf Werkvertragsbasis.

Erntehelfer als Angestellte statt Arbeiter

Steffens Firma wiederum stellt die Arbeitnehmer auf Basis des "Rahmenkollektivvertrages für Angestellte im Gewerbe und Handwerk und in der Dienstleistung an". Das Problem dabei: Für Arbeitskräfteüberlasser gilt ein eigener, besserer Kollektivvertrag (KV). Doch würde Steffens nach diesem anstellen, würde sich dieses Geschäft für ihn nicht rechnen, wie er auch selbst einräumt.

Daher habe er dieses Konstrukt, so Steffens gegenüber dem STANDARD, "in enger Zusammenarbeit mit der Tiroler Wirtschaftskammer (WKT)" erdacht. So stand es auch auf der Homepage von Immoservice24 – zumindest bis der STANDARD die WKT am Donnerstag um Erläuterung dieser "engen Zusammenarbeit" bat. Denn die wird dort abgestritten. Offiziell sagt die WKT, Immoservice24 sei "eines von zigtausend Unternehmen", das man in den letzten Wochen beraten habe. Es sei erfreulich, wenn der Unternehmer zufrieden sei, daraus eine "enge Zusammenarbeit" abzuleiten, sei aber "etwas übertrieben bzw. nicht richtig".

Jurist sieht klare Verstöße

Die Reaktion der WKT ist verständlich, wenn man Thomas Radner, Experte für Arbeitsrecht der AK, zum Geschäftsmodell von Immoservice24 befragt. Er sieht zwei grobe Verstöße. Zum einen sind Erntehelfer keine Angestellten, sondern klassische Arbeiter. Daher könne der Angestellten-KV gar nicht auf sie angewandt werden. Zudem bleibt es eine klassische Überlassung, weil Immoservice24 die Arbeitnehmer an die Landwirte vermittelt und auch nicht selbst anleitet, wie die Feldarbeit zu verrichten ist.

Noch deutlicher wird Gewerkschafter Höfler: "Das ist klares Lohn- und Sozialdumping. Es ist ein Skandal, wenn man aus dieser Krise und der Not auch noch Geld machen will." Höfler sieht in dem Konstrukt zudem eine gesetzlich verbotene Leiharbeit auf Werkvertragsbasis. Dieses Modell widerspreche klar dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz.

Landarbeiterkammer-Präsident: "Fall für die Finanzpolizei"

Auch in der Landarbeiterkammer ist man Immoservice24 gegenüber mehr als skeptisch, wie Präsident Günter Mösl erklärt: "Ich bin seit 20 Jahren dabei, aber das Überlassen von Arbeitskräften war noch nie Thema." Mösl rechnet vor, dass sich das Geschäftsmodell nicht rechnen könne, wenn Steffens seine Dienstnehmer nach den gesetzlichen Vorgaben entlohnen würde. Wäre ein solches Konstrukt rechtlich möglich, hätte es der Maschinenring längst genutzt, ist Mösl überzeugt. Sein Fazit zu Immoservice24: "Das ist ein Fall für die Finanzpolizei."

Drei Personen, die bei Immoservice24 als Teilzeit-Erntehelfer angeheuert haben, sagen gegenüber dem STANDARD, man habe ihnen nur eine geringfügige Beschäftigung angeboten. Für Leistung über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus habe ihnen Steffens zugesagt, "schwarz zu zahlen". Diese Darstellung weist Steffens entschieden zurück. Man habe mittlerweile die Dienstverträge abgeändert, wer über die Geringfügigkeitsgrenze arbeite, erhalte eine dementsprechende Anstellung. Warum dennoch wöchentlich bezahlt werde, begründet er damit, dass es im Sinne der Dienstnehmer sei, dass "schnell Geld fließt".

Steffens gibt an, dass sich bisher mehr als 250 Personen bei ihm gemeldet haben. Die ersten seien bereits auf dem Feld. (Steffen Arora, 9.4.2020)