Martin Sprenger will seine Statements nicht mehr mit der Taskforce der Regierung identifiziert wissen.

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Beim Kanzler kam Martin Sprengers Kritik an einigen Maßnahmen der Bundesregierung gar nicht gut an. In einem Interview hatte der Public-Health-Experte unter anderem das Schließen von Parks und Wandergebieten als "nicht nachvollziehbar" bezeichnet. Solange der Abstand im Freien gewahrt werde, bestehe dort kein Infektionsrisiko. Darauf in der ZiB 2 am Montag angesprochen, sagte Sebastian Kurz (ÖVP) sinngemäß, er höre zum Glück nicht auf die falschen Experten, die ihn vom erfolgreichen Weg abbringen wollten. Besonders pikant: Der "falsche" Experte Sprenger war zu diesem Zeitpunkt Mitglied des Expertenstabs der Corona-Taskforce, die mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) mehrmals wöchentlich die Strategie im Kampf gegen das Virus berät.

Abweichende Meinungen

Seit Mittwoch ist Sprenger kein Mitglied der Taskforce mehr. Er sei aus eigenem Antrieb zurückgetreten, betont er im Gespräch mit dem STANDARD. Vom Gesundheitsminister, über den Sprenger nur in höchsten Tönen spricht, sei keinerlei Druck auf ihn ausgeübt worden. "Ich habe mir aber die Freiheit genommen, meine Meinung nur noch als Fachmann und Bürger kundzutun" Seine Wortmeldungen seien medial bisweilen mit der Einschätzung der Taskforce als Ganzes identifiziert worden – das wolle er nicht und das sei auch nie das Ziel seiner öffentlichen Auftritte gewesen. Der STANDARD hört indes auch von anderen Experten, die mit der Regierung zusammenarbeiten, dass die öffentliche Äußerung von wissenschaftlichem Dissens nicht so gern gehört werde, weil politische Entscheidungsträger davon noch mehr Verwirrung befürchteten. Insbesondere Kanzler Kurz sei auf eine einheitliche Linie ohne Zwischenrufe bedacht.

Mehr Transparenz

Eine Diskussion über die weitere Vorgangsweise in der Corona-Krise müsse man aber so transparent wie möglich führen und nicht hinter verschlossenen Türen, findet Sprenger. "Jeder soll einen Einblick bekommen, auf welcher Datenbasis so weitreichende Entscheidungen gefällt werden. Ich würde es auch begrüßen, wenn die Protokolle der Taskforce publiziert werden, natürlich unter Berücksichtigung des Datenschutzes."

Martin Sprenger diskutierte am Mittwoch bei "STANDARD mitreden" über die neue Corona-App mit dem Juristen Christof Tschohl.
DER STANDARD

Es gäbe hunderte Experten, von Gesundheitsökonomen über Soziologen bis hin zu epidemiologisch versierten Veterinärmedizinern, die etwas beitragen könnten. Sie alle würden von maximaler Informationsfreiheit profitieren. Auch die Methodik der Studien – etwa der Sora-Stichprobe – müssten offengelegt werden.

Anschober bedauert Rücktritt und bleibt in Kontakt

Keinesfalls dürfe man jetzt noch mehr Zeit verstreichen lassen, um solide Daten für die nächste Phase der Lockerung zu sammeln. Denn es sei entscheidend, möglichst genau zu wissen, wie hoch die Herdenimmunität in verschiedenen Regionen Österreichs ausfällt. "Wenige Prozentpunkte können hier einen riesigen Unterschied bedeuten für die darauf aufbauenden Strategien. Wenn die Herdenimmunität nur bei einem Prozent läge, müssten wir uns alle massiv einschränken, bis es einen Impfstoff gibt. Wenn wir dagegen bei 15 Prozent liegen, können sich Menschen mit niedrigem Risiko viel freier bewegen." Erwartbar seien geografisch beträchtliche Unterschiede, darum sei eine feinkörnige Erhebung wichtig für die kommenden Monate.

Dem Gesundheitsminister werden diese Ratschläge nicht entgehen. Er sei mit Sprenger nach dessen Ausscheiden aus dem Expertenstab in einem "sehr wertschätzenden Kontakt", sagt Anschober. Man werde auch fortan gute Wege des Austausches finden. (Theo Anders, 9.4.2020)