So wie vielerorts in den vom Coronavirus arg gebeutelten USA dürften dieser Tage auch bei den ins Homeoffice gezwungenen demokratischen Parteigranden die WLAN-Router und Handynetze heißlaufen. Nach dem Rückzug des Linken Bernie Sanders (78) aus dem Rennen um die Präsidentschaftskandidatur am Mittwoch ist rasches Handeln schließlich das Gebot der Stunde. Die Eine-Million-Dollar-Frage: Wie lässt sich die – wenngleich zuletzt an den Wahlurnen ausgebremste – "Berniemania" auf Joe Biden (77) umleiten?

Sanders selbst beantwortete die Preisfrage in seiner Abschiedsrede am Mittwoch kurz und bündig: mit Einigkeit. Es gelte, mit vereinten Kräften Donald Trump, den amtierenden Präsidenten, zu schlagen. Er selbst könne keine Wahlkampagne fortführen, die keine Aussicht auf Erfolg habe, sagte der Senator aus Vermont, der schon 2016 im Rennen um die demokratische Kandidatur nur Zweiter wurde, damals gegen Hillary Clinton. Diesmal darf aber auch er sich nach Ansicht von Beobachtern als Sieger fühlen: Die ideologische Debatte in der Partei hat Sanders klar gewonnen und die Demokraten mehr geprägt, als es damals vorstellbar war.

Comeback

Biden, der frühere Vizepräsident, darf sich nach seinem erstaunlichen Comeback im demokratischen Vorwahlreigen schließlich nun zwar offiziell "presumptive candidate" nennen, anders als Sanders eilt ihm aber vor allem unter Jungwählern ein allzu dröger Stallgeruch voraus. Seit Tagen erörtern die Wahlkampfteams der beiden Ü-70er in intensiven Telefonaten genau dies. Am Mittwoch, so berichtete die New York Times, tauschten sich Biden und Sanders erstmals nach der durchaus emotional geführten Kandidatenkür auch direkt aus. Anders als 2016, als Sanders Clinton bis in den Sommer hinein Konkurrenz machte, bemüht sich die Partei nun im Kampf gegen Trump, früher das Gemeinsame in den Mittelpunkt zu stellen.

Während Donald Trump in der Corona-Krise zunehmend hilflos agiert ...
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... setzen die Demokraten mit ihrem "presumptive candidate" Joe Biden auf politische Berechenbarkeit.
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Sanders' Handschrift

So will Biden dem Vernehmen nach Arbeitsgruppen zusammenstellen, in denen etwa im Bereich Klimaschutz oder beim Thema Krankenversicherung Sanders Handschrift ruchbar sein soll. Das Kalkül dahinter: Auch der harte Kern der "Bernie"-Fans soll im November Biden wählen. Parteiinsidern zufolge könnten sich die beiden bisherigen Kontrahenten in Kürze gar gemeinsam vor eine Kamera stellen, um die zersplitterte Basis zur Stimme gegen Trump zu motivieren. Der Präsident, so heißt es, habe derzeit schließlich alle Hände voll zu tun, die Pandemie in den Griff zu bekommen – für die Demokraten eine gute Chance, die Reihen zu schließen.

Dass Sanders trotz des Rückzugs seinen Namen auch bei den verbleibenden Vorwahlen auf den Stimmzetteln stehen lassen will, werten Beobachter als Indiz dafür, dass er die Balance in der Partei weiterhin nach links tarieren will. Trump, der in der Vergangenheit des Öfteren per Twitter den Dissens zwischen dem linken und dem moderaten Flügel der Demokraten geschürt hatte, nutzte dies prompt als Breitseite gegen Biden. Nur er selbst könne den Enttäuschten unter Sanders' Anhängerschaft eine Stimme geben, nicht etwa Biden, der ein "Mann der Parteielite" sei, ließ der Präsident die Amerikaner in einem Statement wissen. Was etwa das Thema Handel angeht, lägen Sanders und er schon einmal nah beinander.

Ob die wegen Corona verschobenen demokratischen Vorwahlen im Juni aber überhaupt noch stattfinden, steht in den Sternen. Der Nominierungsparteitag in Milwaukee, eigentlich für Mitte Juli geplant, dürfte wohl allenfalls virtuell über die Bühne gehen. Bis dahin muss sich Joe Biden auch für einen – auf jeden Fall weiblichen – "Running Mate" entscheiden. Als Favoritin gilt die Senatorin Kamala Harris aus Kalifornien. (Florian Niederndofer, 9.4.2020)