Der niederländische Finanzminister Wopke Hoekstra beharrte im Vorfeld des Eurogipfels darauf, dass Mittel aus dem Euro-Rettungsschirm (ESM) an Auflagen geknüpft werden.

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Die zweite Runde des Eurogipfels begann am Donnerstagabend aufgrund bilateraler Vorgespräche mehrerer Parteien mit mehreren Stunden Verspätung. Dafür dauerte die Videokonferenz der Euro-Finanzminister keine Stunde. Letztlich gaben die Niederlande nach und verzichteten auf ihre Forderungen nach Strukturreformen im Gegenzug für Mittel aus dem Eurorettungsschirm (ESM). Die Hilfsgelder aus dem ESM sollen in der Corona-Krise zu minimalen Auflagen bereitstehen. Kompromissbereit zeigte sich auch Italien: Die von Premier Giuseppe Conte zuletzt energisch geforderten Corona-Bonds werden in der gemeinsamen Erklärung des Eurogipfels nicht genannt.

Einigung auf Kompromiss

Die Euroländer einigten sich auf den von Frankreich und Deutschland vorab entworfenen Kompromiss, wonach Gelder aus drei Töpfen für kurzfristige Hilfen bereitgestellt werden sollen. Mehr als 500 Milliarden Euro stellt Europa so zur Verfügung:

  • Rettungsschirm (ESM) 240 Milliarden stehen aus ESM-Mitteln für Ausgaben für das Gesundheitssystem zur Verfügung. Dafür soll es so gut wie keine Auflagen geben. Ein Land kann Kredite in Höhe von bis zu zwei Prozent des BIP aus dem ESM beziehen.
  • Förderbank (EIB) Über die europäische Investitionsbank stellen die Euroländer insgesamt 200 Milliarden Euro auf die Beine. Der Garantiefonds für Unternehmenskredite soll durch die Corona-Krise notleidende Betriebe unterstützen.
  • Kurzarbeit (Sure) Das Kurzarbeitergeld war bereits vor dem Eurogipfel nicht mehr strittig. Die EU-Kommission stellt dafür 100 Milliarden Euro zur Verfügung.

Diese kurzfristigen Hilfsinstrumente sollen in rund zwei Wochen einsatzbereit sein, sagte Eurogruppenchef Mario Centeno im Anschluss an den Videogipfel.

Der Portugiese betonte aber auch, dass man sich auf einen vierten Punkt geeinigt habe. Es soll einen Sonderfonds für den Wiederaufbau Europas geben, die Details würden zeitnah ausgearbeitet, so Centeno. Frankreich und Italien hatten im Vorfeld des Eurogipfels betont, dass man ohne Einigung auf einen solchen Fonds keinem Kompromiss zustimmen würde. Was in der Erklärung des Eurogipfels steht:

  • Sonderfonds Über das Volumen des gemeinsam von den Euroländern befüllten Topfes wurde noch keine Einigung erzielt. Die Rede ist von bis zu 500 Milliarden Euro. Auch gibt es noch keinen Beschluss darüber, wie der Sonderfonds befüllt werden soll. Gemeinsame Anleihen sind trotz Skepsis vieler Länder weiterhin eine Option. "Dank unseres Einsatzes diskutiert man erstmals über einen ‚Wiederaufbaufonds‘, der mit Bonds finanziert wird", sagte etwa der italienische Finanzminister Roberto Gualtieri gegenüber dem TV-Sender Rai 1 am Freitag. "Ich bin sicher, dass die Linie, die Italien mit Mut vorantreibt, sich in Europa durchsetzen wird", zeigte er sich überzeugt. Die Abschlusserklärung lässt die Frage offen. Sie sieht lediglich vor, dass es einen zeitlich befristeten Fonds für den Wiederaufbau Europas nach der Corona-Krise geben soll.

Österreichs Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sieht einen "wichtigen Schritt in der Bekämpfung der Krise und für ein starkes Comeback Europas. Mit der vorliegenden Einigung kann den betroffenen Ländern zielgerichtet geholfen werden, ohne dass die Stabilität des Euroraumes langfristig gefährdet wird", sagte der ÖVP-Finanzminister. Österreich wolle sich als "solidarischer Partner" an den Plänen beteiligen.

"Dies ist ein guter Tag für europäische Solidarität", freute sich der österreichische Budget-Kommissar Johannes Hahn am Freitag auf der Kurznachrichtenplattform Twitter über die Einigung über den Sonderfonds. Die EU-Kommission werde weiterhin an einem Wiederaufbauplan arbeiten, in dessen Zentrum ein angepasstes mehrjähriges EU-Budget stehe.

Chance für "Green Deal"

Am Freitag wandten sich zehn Länder, darunter Österreich, per Brief an die EU-Kommission. Sie fordern, dass der wirtschaftliche Wiederaufbau auf grüner Technologie und Nachhaltigkeit beruhen soll. Als Rahmen für die Maßnahmen zur wirtschaftlichen Erholung schlagen die EU-Mitglieder den "Green Deal" genannten Klimaplan der EU-Kommission vor.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) begrüßte die dänische Initiative, der sich neben Österreich unter anderem auch Italien, die Niederlande, Spanien und Schweden anschlossen.

Die EU müsse nun die Grundlage für eine "robuste wirtschaftliche Erholung" schaffen, bekräftigte auch EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag. Weiterverhandelt wird jedenfalls am 23. April – erneut per Videokonferenz. (Aloysius Widmann, 10.4.2020)