Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz bei der Videokonferenz.

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Brüssel – Die EU-Finanzminister haben sich auf Hilfen in der Coronakrise von einer halben Billion Euro geeinigt. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sprach am Donnerstagabend im Kurzbotschaftendienst Twitter von einer "ausgezeichneten Vereinbarung" beim Vorgehen gegen die unmittelbaren wirtschaftlichen Folgen der Pandemie.

Ein Sprecher von Eurogruppen-Chef Mario Centeno schrieb, eine Videokonferenz der EU-Finanzminister habe "mit Klatschen" geendet. Die Videokonferenz dauerte nicht einmal eine Stunde, nachdem sich die Minister in der Nacht auf Mittwoch nach 16-stündigen Marathonverhandlungen vertagen mussten.

Österreichs Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) sah danach einen "wichtigen Schritt" verwirklich. "Damit unsere Wirtschaft wieder in Schwung kommt, ist es als exportorientiertes Land auch notwendig, dass sich die Wirtschaften um uns herum erholen. Daher werden wir uns natürlich als solidarische Partner an einem Recovery effort beteiligen", sagte der Finanzminister im Werben um Verständnis für die Zustimmung Österreichs zu dem eine halbe Billion Euro schweren Paket, das zu einem großen Teil mit Mitteln aus dem Euro-Rettungsschirm ESM bestritten werden soll.

Diesmal startete das Plenum erst, nachdem in Vorgesprächen eine Einigung zwischen den Hauptakteuren erreicht werden konnte. Deutschland, Frankreich und Spanien hätten sich mit den Niederlanden und Italien auf einen Textentwurf für die Gespräche der EU-Finanzminister geeinigt, hieß es vor dem Start der Videokonferenz um 21.30 Uhr aus EU-Kreisen.

Nur geringfügige Auflagen

Von den Hilfen dürften vor allem Italien und Spanien profitieren. Kreditlinien aus dem europäischen Rettungsfonds ESM würden nur an geringfügige Auflagen geknüpft, sagten die Insider mit Blick auf den Kompromisstext. Die Gelder sollen für Ausgaben im Gesundheitssystem beschränkt werden – wirtschaftspolitische Reformen wie zuletzt von den Niederlanden gefordert sind damit vom Tisch.

Beim geplanten Wiederaufbaufonds nach der Krise sollen die Finanzminister "innovative" Finanzierungsformen prüfen. Ein genauer Hinweis auf gemeinsame Anleihen – sogenannte Euro- oder Coronabonds – fehlt aber. Diese lehnen unter anderem Deutschland, Österreich und die Niederlande strikt ab.

"Vorsichtig optimistisch" gab sich im Vorfeld auch der österreichische Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). Schließlich seien von 23 Punkten 20 bis 21 bereits bei der Sitzung am Dienstag "völlig außer Streit" gestanden, sagte er am Donnerstag in einem Videogespräch mit Journalisten.

Drängen aus dem Süden

Die EU-Staaten waren sich schon vor der Konferenz grundsätzlich einig gewesen, dass in der Coronakrise ungenutzte Gelder des Euro-Rettungsschirms ESM angezapft werden sollen. Laut dem auf dem Tisch liegenden Vorschlag sollen bis zu 240 Milliarden Euro an ESM-Krediten gezahlt werden. Umstritten sind jedoch die Bedingungen für die Kredite. Weiters soll es Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB) von bis zu 200 Milliarden Euro für Firmen geben. Dritter Teil des Pakets ist der Vorschlag der EU-Kommission, Kurzarbeit mit bis zu 100 Milliarden Euro zu unterstützen.

Italien drängt seit Wochen vehement auf Gemeinschaftsanleihen und verbindet entsprechende Forderungen regelmäßig mit düsteren Untergangsszenarien für Europa. So sagte der italienische Ministerpräsident Giuseppe Conte am Donnerstag der BBC, die Existenz Europas stehe auf dem Spiel.

Juncker ging auf Distanz

Die Unterstützung für Coronabonds hat jüngst aber deutlich nachgelassen. Auch Befürworter von gemeinsamen europäischen Anleihen wie der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der Eurobonds als Eurogruppenchef selbst ins Spiel gebracht hatte, ging auf Distanz. Es sei nämlich "nicht über Nacht möglich, Coronabonds in die Welt zu setzen", sagte Juncker dem STANDARD. "Das dauert zu lange. Es ist aber Dringlichkeit geboten", so Juncker. EZB-Chefin Christine Lagarde verwies ebenfalls auf Alternative. "Ich denke nicht, dass wir uns auf Corona-Bonds fixieren sollten", sagte sie der französischen Zeitung "Le Parisien".

ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas drängte die Finanzminister indes zu einer Einigung. : "Wenn es brennt, dann rückt die Feuerwehr unverzüglich aus, um das Feuer zu löschen. Die EU-Finanzminister als Krisenfeuerwehr für Europa müssen das (...) Hilfspaket daher dringendst verabschieden", so Karas in einer Aussendung.

Sollten sich die Finanzminister einigen, muss das Paket noch von den Staats- und Regierungschefs abgesegnet werden. Dies könnte in einer Videokonferenz noch vor Ostern passieren. Auf persönliche Treffen verzichten die Regierungsvertreter der EU-Staaten seit Ausbruch der Coronakrise. (APA, red, 9.4.2020)