Die Armee in Mali wird von Bundesheersoldaten trainiert.

Foto: Conrad Seidl

Wien – Angesichts der Corona-Krise kursieren erneut Gerüchte, dass das Verteidigungsministerium schon demnächst die Auslandseinsätze des Bundesheeres beenden könnte. Aktuell sind rund 1.160 heimische Soldaten an diversen Missionen vom Balkan bis Afrika beteiligt. Auf STANDARD-Anfrage erklärt Oberst Michael Bauer, dass die Einsätze aufrecht bleiben, sehr wohl aber gebe es seit einigen Tagen Planungen, wie zu verfahren sei, wenn in diversen Staaten – wie etwa beim EUTM-Einsatz in Mali – die gesundheitliche Sicherheit für Soldaten nicht mehr gewährleistet sei. Dort ist ein gutes Dutzend Kräfte im Einsatz. Ebenso gebe es Überlegungen, ob Soldaten, die Risikogruppen angehören, abgezogen werden sollen – etwa Uniformierte, die über sechzig sind.

Keinesfalls aber sei daran gedacht, erklärt Bauer, dass die Republik hier Entscheidungen im Alleingang fällt – einerseits stimme man sich bei den Beratungen mit dem Außenministerium ab, andererseits geschehe nichts, ohne sich vorher mit den internationalen Vertragspartnern, also den Vereinten Nationen und der Europäischen Union, zu akkordieren.

Ein Hals-über-Kopf-Abzug wie am Golan angesichts zunehmender Gefechte im Jahr 2013 sei ausgeschlossen, weil dann Soldaten anderer UN-Nationen einspringen müssten – und daran Österreichs Reputation erneut leiden würde. Zur Erinnerung: In knapp vierzig Jahren hatten einst rund 29.000 österreichische Soldaten am Golan gedient, 27 davon sind im Einsatz gestorben, ehe Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) vor sieben Jahren das damalige Kontingent zurückbeorderte.

Verpflichtungen haben Priorität

Deswegen weist auch Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) im Gespräch mit dem STANDARD derartige Spekultationen zurück: "Wir halten alle unsere Verpflichtungen ein – natürlich immer in enger Abstimmung mit dem Außenministerium und unter Bedachtnahme auf die Gesundheit."

Erst in der Vorwoche wurden 275 Soldaten des 350 Mann starken österreichischen Kontingents bei der KFOR im Kosovo ausgetauscht. Es war bereits die 42. Rotation des 1999 beschlossenen Einsatzes zur Sicherung des Balkanlands. Wegen der Infektionsgefahr mit dem Coronavirus wurden die in den Kosovo entsandten Soldaten erst in Österreich in Quaratnäne geschickt, bevor sie mit den C-130, den Hercules-Transportflugzeugen des Bundesheeres, ins Einsatzgebiet geflogen wurden. Selbst an Bord des Flugzeugs mussten Sicherheitsabstände eingehalten werden – und die zurückgekehrten Soldaten mussten ebenfalls für zwei Wochen in Quarantäne.

Dort versehen sie im Camp "Film City" in Pristina Dienst – wobei die dort stationierten Soldaten von einer fordernden Situation berichten: "Die KFOR-Soldaten sind sehr diszipliniert. Alle halten Abstand und waschen sich die Hände so oft wie möglich. Meetings werden personell minimiert und eingeschränkt. Videokonferenzen wurden nun tägliches Business", schilderte ein höherer Offizier die Lage.

Erster Corona-Fall bei der KFOR-Truppe

Aber: Die gesamte Truppe halte eisern Disziplin, nicht zuletzt gebe es große Solidarität mit den italienischen Kameraden: Der derzeitige Kommandant der Nato-Mission im Kosovo ist Generalmajor Michele Risi aus Triest – und dieser muss nicht nur mit seinem Stab in Pristina, sondern auch mit dem Nato-Kommando in Neapel kommunizieren, das von der italienischen Corona-Krise ebenfalls getroffen ist.

Am Freitagabend wurde bekanntgegeben, dass in der insgesamt 3526 Mann starken KFOR-Truppe erstmals ein Covid-19-Fall aufgetreten ist. Die Nationalität des betroffenen Soldaten wurde nicht bekannt gegeben – die Truppe setzt sich aus Soldaten aus 27 Nationen zusammen, mit den größten Kontingenten aus den USA, Italien, Österreich und Ungarn.

Zu den Aufgaben der Mission im Kosovo gehören nicht nur die üblichen Sicherungsaufgaben und der Entminungsdienste – noch immer müssen Relikte des Kosovokrieges beseitigt werden. Die KFOR arbeitet auch mit der Kosovo-Police zur Eindämmung des Coronavirus auf dem Balkan zusammen. Nach offizieller Zählung gab es in der Bevölkerung des Kosovo bisher 227 Corona-Fälle, sieben Personen sind dem Virus erlegen.

Einzelne Soldaten zurückgeholt

Einzelne Soldaten holte das Bundesheer freilich bereits sehr wohl zurück nach Österreich – zuletzt am Donnerstag einen Soldaten aus Bosnien, der mit einem Corona-Patienten im selben Zimmer war.

In Mali könnte zumindest die Trainingsmission zurückgefahren werden. Dabei geht es um die 2013 von der EU beschlossene "European Union Training Mission Mali". Die Hauptaufgabe des Einsatzes besteht in der Beratung, Unterstützung und Ausbildung der malischen Streitkräfte mit dem Ziel, die territoriale Einheit und Kontrolle des Staates unter Einhaltung der Menschenrechte wiederherzustellen.

Weiterhin in Mali bleibt eben das "Schlüsselpersonal", versichert man im Verteidigungsministerium. Dort sind nämlich auch Bundesheerangehörige an der Multidimensionalen Integrierten Stabilisierungsmission der Vereinten Nationen, kurz MINUSMA genannt, beteiligt. (Nina Weißensteiner, Conrad Seidl, 10.04.2020)


Update am 10.4.2020 um 18.00 Uhr – erster Corona-Fall bei KFOR-Truppe