Das Ei ist gleichzeitig externer Mutterkuchen und Brutkasten, das lehrt die Oologie.

Foto: Paul Starosta / Suhrkamp Verlag

Der Chauffeur eines bekannten heimischen Comedy-Duos soll zum Frühstück immer "zwölf Eier im Glas" bestellt haben, was für die Küche des Lokals gewiss eine Herausforderung darstellte: Zwölf Eier, okay. Aber in welchem Glas?

Boxer Rocky, von Silvester Stallone ausdrucksstark dargestellt, gab sich hingegen mit fünf Stück zufrieden, die er sich frühmorgens um vier Uhr ins Glas schlug und trank, begleitet von einem zufriedenen Rülpser.

Kein Wunder: Ein Hühnerei enthält um die 12,8 Prozent hochwertiges Eiweiß, 11,3 Prozent Fett bei nur 0,7 Prozent Kohlenhydraten. Außerdem sind darin ein paar Vitamine sowie Folsäure, Natrium, Kalium und Kalzium enthalten. Wie sagte schon Wilhelm Busch? "Das weiß ein jeder, wer’s auch sei, gesund und schmeckend ist ein Ei."

Eine einzige Zelle

Eine noch größere Liebe zum Ei als die oben genannten – freilich nicht zum Inhalt, sondern zur Schale – bildete der Schweizer Werner Haller (1913–1980) aus, der im Laufe seines Lebens eine heute in Genf und Bern aufbewahrte Sammlung von 14.000 Gelegen mit zusammen etwa 47.000 Eiern (entleert) aus der ganzen Welt anlegte, inklusive ein paar Kostbarkeiten wie Gelege der Guadalupe-Sturmschwalbe oder der nordamerikanischen Wandertaube, die beide bereits ausgestorben sind, wie im Bildband Eier – Ursprung des Lebens nachzulesen ist.

Jedes Vogelei, lernt man darin, beginnt als einzige Zelle, die – bis zur Reife von Dotter umfasst – in den Eileiter freigesetzt wird. Ganz zu Anfang kann sie auf ihrem Weg durch den Eileiter befruchtet werden, danach werden fünf Schichten über das Eigelb gelegt: das Eiweiß, die Membranen, die eigentliche Schale, Farben und Flecken. Und am Ende die Cuticula, eine meist durchsichtige Eiweißschicht an der Oberfläche, die zur Abwehr von Krankheitserregern dient.

Für die Entwicklung der Schale braucht das Ei kohlensauren Kalk, den die Henne notfalls aus dem eigenen Körper gewinnt. Die Schale muss stark genug sein, um das Gewicht der brütenden Henne tragen zu können, aber auch dünn genug, um den Gasaustausch für das Küken zu gewährleisten und ihm das abschließende Aufpicken zu ermöglichen.

Spitz oder Arsch?

Vom Eisprung bis zum Eierlegen dauert es bei der uns bekannten Haushenne 25 Stunden, das Ei ist dann "gleichzeitig externer Mutterkuchen und Brutkasten", lehrt die Oologie, die Wissenschaft vom Vogelei, welche von Max Schönwetter, einem alleinstehenden Beamten aus Thüringen, etabliert wurde. Auch er sammelte 19.206 Eier von 3839 Vogelarten, die heute im deutschen Halle der Wissenschaft zur Verfügung stehen.

Ob das Ei mit dem spitzen oder runden Ende voran gelegt wird, ist nicht ganz klar. Bei der Haushenne bewegt es sich zunächst Spitz voran zur Kloake, dreht sich dort aber im letzten Moment um und kommt mit dem runden Ende voran heraus.

Kuckucksarten und kleinere Singvögel brüten ihr Gelege etwa zehn Tage lang. Kaiserpinguine tun das ununterbrochen bis zu 67 Tage lang, der Wanderalbatros und der Südstreifenkiwi mit Pausen sogar bis zu 85.

Bei fast allen Vogelarten liegt während dieser Zeit der Kopf des heranwachsenden Kükens mit dem Schnabel unter dem rechten Flügel beim runden Ende des Eis, welches der Verschmutzung durch Exkremente und anderen Dreck weniger ausgesetzt ist und dadurch bessere Sauerstoffversorgung hin zum Kopf des Kükens ermöglicht.

Spitz oder Arsch? Diese Frage beschäftigt uns nicht nur zu Ostern beim Eierpecken, sie beschäftigt die Natur seit Millionen von Jahren. So soll nicht nur die Flügelform der Vögel Hinweise auf ihre Flugtüchtigkeit geben (je spitzer, desto besser), sondern auch die Form der gelegten Eier.

Brüten bei minus 25 Grad

Dem mag widersprechen, wer das spitze Ei des flugunfähigen Kaiserpinguins sieht, das dieser im antarktischen Winter bei durchschnittlich minus 25 Grad bebrütet. Seine Körperwärme überträgt sich aber einfach besser auf die längliche Form des Eis, wohl daher die Ausnahme.

Kaiserpinguine sind auch die einzigen Vögel, die sich während des Brütens fortbewegen können, was auch nötig ist, wenn sie sich in der Gruppe aufstellen und sich innerhalb dieser gegen Wind und Kälte verschieben müssen – "Lass mich mal in die Mitte!"

Die Trottellumme (ja, sie heißt so) legt eines der spitzesten Eier, und zwar auf die schmalsten Ausbuchtungen an den felsigen Wänden der Ozeanküsten auf unserer schönen Nordhalbkugel. Wohl deshalb, damit es sich um das runde Ende dreht, wenn es angestoßen wird, anstatt als Kugel hinunterzurollen.

Die dicksten Dinger

In Relation zu seinem Körpergewicht (ca. 46 Kilo) legt der Kaiserpinguin das kleinste Ei aller Vögel, mit ca. 460 Gramm wiegt es nur ein Prozent des Gewichts seines Körpers. Die um die drei Kilo schwere Südstreifenkiwihenne hingegen kann kurz vor dem Legen ihres knapp ein halbes Kilo schweren Eis kaum mehr laufen (um es mit Erika Fuchs zu sagen: "Ächz!").

Die Trümmer des afrikanischen Straußes freilich bringen das Dreifache auf die Waage, für zwei dieser "Eier im Glas" bräuchte es dann schon ein Lavour. Die "dicksten Eier" legte aber mit neun Kilo der Elefantenvogel, freilich nur bis zu seiner Ausrottung vor ca. tausend Jahren auf Madagaskar. An diesen Eiern hätte sich vielleicht sogar Silvester Stallone verhoben, obwohl der nachweislich kein Weichei war.

Eine – unwissenschaftlich gesprochen –"Elefant-im-Porzellanladen-Art" namens Donald Trump reklamierte ab 2016 – umgangssprachlich – noch "dickere Eier" für sich, was, würde es stimmen, wir mit dem Ausruf "Ach du dickes Ei!" (Wow!) anerkennend kommentieren könnten.

Er wirft aber auch liebend gerne "mit faulen Eiern" (unhaltbaren Gerüchten) um sich, lässt uns Europäer gerne auf "unseren Eiern sitzen" (jemanden mit seinen Problemen alleinlassen), während er gleichzeitig zu allem "sein Ei dazulegt" (seine Meinung sagt), oft genug aber auch "ein Ei neben das Nest legt" (einen Fehler macht), was seine Fans aber nicht daran hindert, ihm seine Lügen abzukaufen "wie Eier aus dem Korb". Sie lieben es, dass er ein "bös’ Ei eines bösen Raben" ist, ein "ungezogenes Kind."

Pechschwarze Eier

Der Elefantenvogel könnte noch leben, wenn nicht der Mensch ständig zum Nachteil der Natur in die Natur eingreifen würde. Ab den 1960er-Jahren fiel Forschern auf, dass die Eier von Greifvögeln wie dem Wanderfalken oder Sperber während der Brut immer häufiger zerbrachen, was auch diese Arten an den Rand des Aussterbens brachte. Es waren letztlich Insektizide wie DDT, die über die Nahrungskette die Entwicklung der Schale störten.

Die Farben der meisten Vogeleier variieren meist zwischen blau und violett, weil nur zwei Pigmente in der Schale vorkommen. Pechschwarz aber sind die Eier des Emus in Australien, und vollkommen weiße Eier legen die meisten Höhlenbrüter, Spechte, Bienenfresser, alle Eis- und Sturmvögel sowie Papageien.

Gemusterte Eier dienen wie immer der Tarnung während der Abwesenheit der Eltern, die Trottellumme aber verfolgt mit der auffälligen Musterung ihres Geleges eine andere Absicht: Die Elternvögel können es inmitten abertausender anderer an den steilen Küsten, an denen sie brüten, finden.

Brutparasiten

"Glänzende Eier" werden von Steißhühnern gelegt und sehen aus wie gefärbte Ostereier. Diese Hennen verteilen ihre Eier in die Nester brütender Männchen, in denen teils schon Eier anderer Hennen liegen, und wollen diese dazu animieren, auf ihren "schöneren" Eiern noch eifriger zu brüten.

Beim Schwarzen Trauerschnäpper wiederum signalisiert das auffällige Blau den Männchen eine besondere Legetüchtigkeit der Hennen – je intensiver die Farbe, desto mehr sollen sie sich auch anschließend bei der Futterbeschaffung reinhängen.

Ähnlich den Menschen ("Alexa, schalt mal Licht an!") gibt es auch bei den Vögeln welche, die den Job lieber andere erledigen lassen, z. B. die Gruppe der Brutparasiten um den Kuckuck oder den afrikanischen Honiganzeiger, die zur Brut gar nicht fähig sind. Manche von denen betreiben das "Unterschieben" der Eier so rücksichtslos, dass sie zuerst das Gelege des Wirts vernichten, bevor sie die eigene Lieferung unterbringen.

Der Häherkuckuck gibt sich zufrieden, wenn seine Eier zusammen mit den fremden bebrütet werden. Aber nicht alle Wirte sind blinde Hühner, die den Trick nicht durchschauen würden, und schon gar nicht alle haben Lust auf unbezahlte Überstunden. Sie werfen die hineingeschmuggelten Eier einfach hinaus.

Das Gelbe vom Ei

Auch die Großfußhühner brüten nicht selbst, sie schütten im heißen Sand Bruthügel auf und vergraben darin die Eier. Die für die Aufzucht verantwortlichen Männchen erfühlen darin mit dem Schnabel die jeweilige Temperatur und tragen, wenn nötig, Sand ab oder schütten ihn auf, um so die Temperatur zu regeln.

Ihre Eier haben neben denen der Kiwis anteilsmäßig auch den meisten Dotter (50 bis 70 Prozent des Gesamtgewichts verglichen mit den meist üblichen 30 Prozent bei anderen Arten). "Das Gelbe vom Ei" hat sich in unserem Alltag als "der bessere Teil" des Eis durchgesetzt, was aber medizinisch keine Grundlage hat – jedenfalls dient es als Nahrungsvorrat für den Embryo.

Entsprechend wohlgenährt derschlüpft so ein Großfußhuhnküken, braucht dann aber mehrere Tage, bis es sich durch den Sand an die Oberfläche gekämpft hat. Das Brechen der Schale gelingt ihm dabei ohne "Eizahn" (eine Hornerhebung am Schnabel, die sich später zurückbildet).

Gleichberechtigung

In puncto Gleichberechtigung sind uns manche Vogelarten weit voraus: Teichhühnerhennen halten ihr Revier frei von eindringenden Weibchen, um sich dann umso eifriger mit mehreren Männchen paaren zu können, die dann auch gleich für Brut und Aufzucht eingeteilt werden. Es haben aber auch nur diese den gut durchbluteten, kleingefiederfreien "Brutfleck", der eine optimale Übertragung der Körperwärme auf die Eier erst ermöglicht.

In einem chinesischen Mythos enthält ein frühes Hühnerei das kosmische Prinzip von Yin und Yang. In den Mythologien vieler anderer Kulturen benennt das "Weltenei" den absoluten Urzustand, in dem wiederum Teile der Wissenschaft die gesamte Masse unseres Universums in einer "gravitativen Singularität" komprimiert sehen, im "Kosmischen Ei". Könnte man dorthin zurückschauen, würde man vielleicht die Antwort auf die eine wichtige Frage bekommen: Was war zuerst da, das Huhn oder das Ei?

Bis dahin begnügen wir uns mit der Beantwortung nicht weniger wichtiger Fragen wie: "Die Eierspeis mit drei oder vier Eiern?" – "Mit zwölf!"

Falls wieder mal ein Kaffeehaus aufsperrt. (Manfred Rebhandl, 11.4.2020)

Paul Starosta (Fotograf und Biologe), "Eier – Ursprung des Lebens". 80,20 Euro / 224 Seiten. Insel-Suhrkamp-Verlag, 2019