Von Dohnals Leistungen profitieren wir täglich: warum findet ihre Bedeutung keinen posthumen Niederschlag?

Foto: Gertraud Klemm

Gerade habe ich eine Dokumentation über das Grab BJ 581 im schwedischen Birka gesehen. Die Knochen in dem Grab, das aufgrund seiner Position und seiner reichlichen Grabbeigaben (Waffen, Spielsteine, sogar zwei Pferde) einem mächtigen Krieger zugeordnet wurde, stellte sich – einem weiblichen Forschungsteam sei Dank – als das einer Kriegerin heraus.

Eine Tatsache, die die festgefahrenen Geschlechtervorstellungen der Archäologen ordentlich auf den Kopf stellte. Da ist das Patriarchat wohl über die Knochen einer Heldin gestolpert, die es gar nicht geben dürfte, dachte ich mir schadenfroh. Und das in Schweden, welches uns in Sachen Geschlechtergerechtigkeit immer ein bisschen rückständig aussehen lässt!

Am Grab 1A in der Gruppe 32C am Wiener Zentralfriedhof geht man schnell vorbei. Eine Rasenfläche, von Buschwerk begrenzt, ein paar Blumen, eine Vase. Kein Grabstein, kein Kopf- oder Fußstein, kein Kunstwerk aus Marmor, Stein oder Glas.

Eine schwarze Schleife ziert das verwitterte fußhohe Holzgestell, auf dem eine dürftige Messingplakette angebracht ist. Man muss sich vorbeugen oder hinhocken, um zu lesen, wer hier vor zehn Jahren beerdigt wurde: Professorin Johanna Dohnal, 1939–2010.

Ehrengrab wie ein Provisorium

Dieselbe Donahl, die von Feministinnen und Nichtfeministinnen gleichermaßen schmerzlich vermisst wird, der gerade eine sehr sehenswerte Dokumentation gewidmet wurde, die gerade gehypt wird, unsere wichtigste Frauenministerin, ohne deren Einsatz wir uns vielleicht heute noch von unseren Männern den Arbeitsplatz verbieten lassen müssten und im Gegenzug rechtmäßig vergewaltigt werden dürften.

Warum sieht das Ehrengrab wie ein Provisorium aus, wo ist nur all die Ehre hin? Wie kann es sein, dass in einer roten Stadt wie Wien, die sich mit Sterben und Ehren sehr gut auskennt, eine veritable Heldin wie die Dohnal so völlig außen vor gelassen wird?

Blumen, Weihnachtsbäume, Kränze, Kerzen, Schleifen: Dass das Grab besucht wird, steht außer Frage. Diejenigen, die sie vermissen, wissen, wo sie Johanna Dohnal finden können. Hier liegt eine geliebte Ehefrau, eine Mutter und Großmutter, eine Freundin.

Aber: Hier liegt genauso die zentrale Figur der österreichischen Frauenrechtsbewegung begraben. Dass Johanna Dohnal das Politische im Privaten entlarvt hat und juristisch in das Regelwerk, das "hinter verschlossenen Türen" walten durfte, eingegriffen hat, war ihr größtes Vermächtnis, für das sie Unerträgliches in Kauf genommen hat. Ist es da nicht ein Affront, dass ihr Grab dann wieder auf das ausschließlich Private reduziert ist?

Feministischer Affront

Formal zuständig ist die Kulturabteilung der Stadt Wien. Die Kulturabteilung hat darüber nicht nur das Nutzungsrecht, sondern auch Behördenstatus. Diese Tatsache ist in einem Rechtsgutachten formuliert. Die Kulturabteilung der Stadt Wien ist grundsätzlich befähigt, eine politisch wichtige Person anstandsgemäß zur letzten Ruhe zu betten.

An den benachbarten Gräbern von Dohnals Parteikolleginnen wie Barbara Prammer und Rosa Jochmann (und so gut wie allen männlichen Sozialisten) ist zu sehen, wie so was geht: Abgesehen von einem persönlichen, familiären Grabstein am Kopfende der Toten, der auch als künstlerisches Denkmal gestaltet sein kann, weist ein sogenannter Fußstein oder ein "Gedenkzeichen auf einem Sockel" auf die nichtfamiliären Leistungen für Gesellschaft und Politik hin.

Wie kann es sein, dass in einer roten Stadt wie Wien, die sich mit Sterben und Ehren sehr gut auskennt, eine veritable Heldin wie die Dohnal so völlig außen vor gelassen wird?
Foto: Gertraud Klemm

Aber Johanna Dohnals Grab spricht überhaupt nicht von ihren Leistungen. Professorin steht da. (Früher stand sogar "Professor" da, ein Gedanke, der mir den feministischen Magen umdreht. Zumindest dieser Affront konnte beseitigt werden.)

Ehrung ehrenswerter Frauen

Schon mehrere Menschen haben versucht, Johanna Dohnal ein würdiges Grab zu bereiten. Freunde und Freundinnen, engagierte SPÖ-Frauen. Immer wieder wird ein Konflikt mit der Familie vorgeschoben. Johanna Dohnal war aber mehr als ein Familienmitglied. Schon seit Jahren gibt es Spendenangebote, um ein "Gedenkzeichen auf einem Sockel" zu errichten und zu finanzieren. Rund 4000 Euro kostet so etwas. Am Geld scheint es also nicht zu liegen. Woran dann?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Familie ein Problem damit hat, dass Johanna Dohnals Leistungen unverwitterbar in Stein gemeißelt honoriert werden. Ich kann mir aber vorstellen, dass politische Versäumnisse, diplomatische Zerwürfnisse um Zuständigkeiten, Geld und Zeiträume zu einer Pattstellung geführt haben, die jetzt, zehn Jahre nach Dohnals Tod, zum Dauerzustand zu werden droht.

Sie war die erste und beste Frauenministerin, die Österreich je hatte und haben wird. Von Johanna Dohnals Leistungen profitieren wir täglich; warum findet ihre Bedeutung und Größe keinen posthumen Niederschlag? Wieso muss ich auf die Knie gehen und meine Lesebrille aufsetzen, wenn ich mich vergewissern will, dass hier wirklich die "rote Riesin" liegt?

Warum funktioniert die Ehrung ehrenswerter Frauen in diesem Land so schlecht, und warum strotzt dieses Land im Gegensatz dazu vor Denkmälern, Straßenschildern und Gedächtnistafeln für Männer und ihre Leistungen, auch wenn sie gar nicht herausragend, vielleicht sogar verwerflich waren?

Die rote Riesin

Dohnal wurde von der neuen, neoliberal angehauchten Sozialdemokratie aus dem Amt geekelt – ihre Absetzung erfuhr sie bei der Pressekonferenz, eine Vorgangsweise, die damit zu tun hatte, dass der patriarchale Flügel der Sozialdemokratie sie schon zu Zeiten, als Dohnal noch in Funktion war, geschasst hatte.

Dass die rote Solidarität eben doch nur so weit reicht, wie der Abstand zwischen zwei Pissoirs lang ist, hat Dohnal schon zu Lebzeiten zu spüren bekommen. Geschlechterübergreifende Solidarität ist nie dauerhaft im Sozialismus angekommen. Frauen wurden und werden immer noch nicht oder unzureichend geehrt, erinnert und gepriesen, egal wie grandios ihre Leistungen waren – zu Lebzeiten und danach erst recht nicht.

So kommt es, dass wir die große Tochter, die rote Riesin, vor der wir uns in Ehrerbietung verneigen wollten, in einem Zwergengrab vorfinden. Die ehrenvolle, mächtige Figur ist wieder auf das Bescheidene, Private geschrumpft.

Heimat vergessener Töchter

Das macht etwas mit uns; es ordnet uns wieder ein. Heimat bist du großer Söhne und vergessener Töchter. Es gibt keine Heldinnen, geh nach Hause, sagt das Grab zu uns, weine dort um den Feminismus von gestern. Das Gras wächst drüber, das Holz verwittert. Wenn nicht mal eine wie die Dohnal es schafft, in den Erinnerungskörper aufgenommen zu werden, brauchst du dich nicht aufzureiben. Krieg lieber ein paar Kinder und bind dir die Schürze um.

Auf dem Weg zum Parkplatz zeigen die Grabmäler um uns herum, wem Ehre gebührt: Vor begehbaren, glänzenden Marmorgrabmälern, Gruften und meterhohen Stelen von Stadträten, Philosophen, Musikern, Politikern, Industriellen, von denen wir noch nie etwas gehört haben, werden wir ermahnt, dass man sich an alle erinnern kann und will, nur nicht an uns.

Wir dürfen, wenn überhaupt, als in Stein gehauene Nackedeis die toten Helden beweinen oder als Gattinnen auf den Inschriften erwähnt werden; das muss uns reichen. Der Arm des Patriarchats scheint lang genug, Johanna Dohnal auch zehn Jahre nach ihrem Tod eine würdige letzte Ruhestätte zu vereiteln. Wenn wir das nicht bald hinkriegen, können wir den Feminismus gleich mitbegraben. (Gertraud Klemm, 10.4.2020)