Chinesisches Dampfbrot ist köstlich und auch für den unerfahrenen Heimbäcker geeignet. Am allerbesten wird es mit süßem Schwein gefüllt – oder den Resten vom Osterbraten!

Die Liebe zum Dampfbrot ist offenbar schwer verständlich, wenn man noch nie ein gutes gegessen hat. Als ich dem kulinarisch sonst sehr versierten Heinrich H. von meinem Quarantäne-Plan erzählt habe, endlich chinesisches Dampfbrot zu machen, fragte er, ob es wegen der tiefen Aromatik oder der komplexen Textur sei. Ich antworte ihm hiermit: beides! (Fußnote)

Gutes Dampfbrot kann ganz köstlich schmecken, mit zartsüßen Hefe-, Milch- oder Vanille-Tönen, und die Textur ist überhaupt eine der großen kulinarischen Freuden dieser Welt: flauschig und luftig zart und saftig, genauso wie im Schlaraffenland Wolken schmecken müssen. Dazu kommt noch seine prächtige Oberfläche, die wie helles Perlmutt schimmert und, wenn alles gutgeht, so herrlich glatt aussieht, dass man es nicht nur essen, sondern vorher auch unbedingt streicheln möchte.

Foto: Tobias Müller

Dampfbrot ist so etwas wie die chinesische Ur-ur-ur-Großmutter der Buchtel und des Germknödels.

Die Basisvariante besteht aus nichts als Wasser, Mehl, Hefe und Salz, in modernen Zeiten wird es aber oft und gern mit etwas Zucker und Öl beziehungsweise Butter aufgefettet. Es soll bereits um 700 vor Christus gegessen worden sein, und im Jahr 300 wird es erstmals schriftlich erwähnt, in einem Text mit dem schönen Namen "Ode an den gekochten Teig" (und in dem entsprechend auch die Nudel gewürdigt wird).

Die meisten Chinesen unterscheiden zwischen Mantous (ungefüllte Brote) und Baozi (gefüllt), wobei Mantou im Norden ein wenig das sind, was der Reis im Süden ist. Ein frisches Mantou, vielleicht mit heißer Sojamilch oder einem Tee-Ei genossen, gibt ein formidables Frühstück ab, ist perfekt geeignet, um einen Pekinger Innereieneintopf aufzusaugen, und auch einfach mit einer Tasse Tee an einem burgenländischen Quarantäne-Nachmittag ist es wunderbar. Meine große Liebe gehört aber trotzdem den Baozis, den gefüllten Dampfbroten.

Perfekte Restlverwertung

Die wahrscheinlich berühmteste Version davon ist Char Siu Bao: ein besonders fluffiges Dampfbrot, das mit Char Siu, gegrilltem Schwein nach Hongkong/Guang-Dong-Art, gefüllt wird. Die Mischung aus süß-cremigem Schwein und weichem Dampfbrot, das sich mit dem köstlichen Fleisch angesaugt hat, kommt schon sehr nah etwas heran, was ich mir als Götterspeise vorstelle. Weil es vielen anderen Menschen wohl ähnlich geht, wird es auch in so gut wie jedem Dim-Sum-Restaurant der Welt serviert.

Ich habe mir schon lange vorgenommen, mich endlich am Dampfbrot zu versuchen – der aktuelle Hausarrest plus Reste einer gebratenen Stelze haben nun eine gute Gelegenheit geboten. Meinen Befürchtungen zum Trotz hat sich das Dampfbrot – und auch die Füllung – als gar nicht so schwer erwiesen. Meine Ergebnisse nach drei Tagen Experimentieren waren sicher nicht die Krönung der Baozi-Kunst, aber mit großem Genuss essbar.

Niemand, außer ein großes Restaurant, wird extra ein Schwein grillen, nur um damit Knödel zu füllen. Baozi sind und waren immer die perfekte Art, jegliche Reste zu verwerten, die vielleicht nicht prächtig aussehen, aber umso besser schmecken. Die Tage nach dem Verzehr von Festtagsbraten, etwa Ostern, sind dafür nicht die schlechteste Gelegenheit. Experimentieren Sie, und stopfen Sie hinein, was sie gerade haben – egal ob das Lammbraten, harte Eier mit Schnittlauch oder Orangenmarmelade ist.

Aja: Sie brauchen für Dampfbrot leider einen Dämpfer. Gibt's für sehr wenig Geld in jedem Chinaladen und bestimmt auch online, und es ist eine Anschaffung, die sich für viele Speisen lohnt. Ein bissl improvisieren (siehe meine Fotos) schadet auch nie.


Dampfbrot und eine Art Char Siu Bao

Der Teig

Egal was Sie später in Ihr Baozi stopfen wollen, zunächst brauchen Sie den Teig. Fürchten Sie sich nicht: Ich gehöre normalerweise zu den Menschen, die Brot lieber den Profis überlassen, und habe derzeit nicht einmal eine Waage zur Verfügung – trotzdem sind mir sehr passable Ergebnisse gelungen. Ich habe mich vor allem an diesem Rezept orientiert und war mit dem Brot so zufrieden, dass ich es nur geringfügig angepasst habe.

Die folgenden Angaben sind für fünf bis sechs Dampfbrote oder ein Essen für zwei Personen.

Schmelzen Sie etwa 20 Gramm Butter (eine ordentliche Schnitte) und rühren zwei Esslöffel Zucker hinein. Gießen Sie etwa 200 ml kalte Milch dazu und rühren ein halbes Packerl Trockengerm oder ein murmelgroßes Stück frischen Germ hinein. Lassen Sie die Mischung fünf bis zehn Minuten stehen, bis sie ein wenig schäumt.

Foto: Tobias Müller

Salzen Sie ungefähr 250 Gramm Mehl, gießen dann die Germ-Mischung dazu, und rühren es zu einem Teig (Ich habe aus Mangel an Waage ein halbes Glas Milch und ein sehr gehäuftes Glas Mehl genommen).

Foto: Tobias Müller

Er sollte am Anfang etwas feucht und klebrig sein, sich aber relativ problemlos verarbeiten lassen. Wenn er zu sehr pickt, mehr Mehl dazugeben. Den Teig etwa zehn Minuten kneten, bis er sich geschmeidig anfühlt.

Foto: Tobias Müller

Je nach Hefemenge und Temperatur sollten Sie Ihren Teig nun etwa 1,5 bis 2 Stunden gehen lassen, oder bis er sich mindestens verdoppelt hat und sich luftig anfühlt. Kneten Sie ihn dann noch einmal gut durch und lassen ihn erneut etwa 30 Minuten gehen.

Ich habe den Teig zu Testzwecken auch nach den beiden Geh-Phasen über Nacht im Kühlschrank ruhen lassen und dann in der Früh gedämpft: Der Geschmack war noch besser, die Struktur allerdings weniger luftig. Halten Sie das wie Sie wollen.

Das Formen

Nun geht es ans Formen: Für Mantou müssen Sie nichts tun, außer den Teig in gleich große Stücke zu reißen, diese zu Kugeln zu rollen und ein wenig extra Struktur und Spannung geben, wie beim Brotbacken (hier ab Sekunde 40 zu sehen). Wenn Sie wollen und/oder nicht sehr geschickt sind, wie ich, können Sie es jetzt einfach nochmal 30 Minuten gehen lassen, dann dämpfen und pur essen oder aufschneiden und wie ein Sandwich belegen. Die Bao Bans sind die berühmtesten Vertreter dieser Art.

Foto: Tobias Müller

Wenn Sie geschickt sind und Lust haben, können Sie den Teig nun auch füllen: Rollen Sie die Stücke zu Kugeln, pressen diese flach und rund und packen die Füllung in die Mitte.

Foto: Tobias Müller

Nicht zu viel nehmen, sonst wird es schwer, das Baozi zu schließen. Nun den Teigrand oben zupfen und zusammendrücken, wie Sie es hier sehen: ein bisschen ziehen, dann drücken, ziehen, dann drücken, und wiederholen, bis es geschlossen ist. Hier gibts unten ein Video: https://www.derstandard.at/story/1378248908840/suppenknoedelmachen-in-shanghai

Foto: Tobias Müller

Wenn Sie das gut gemacht haben, legen Sie den Knödel nun mit der einstigen Öffnung nach oben zur Seite und lassen ihn unter einem Stück Plastikfolie nochmals 30 Minuten rasten. Wenn es ein wenig wie ein Unfall aussieht, drehen Sie die alte Öffnung nach unten und geben Ihrem Baozi zumindest oben eine schöne, runde Form.

Das Dämpfen

Manche Leute bringen das Wasser im Dämpfer zum Kochen, wenn die Baozis schon drinnen liegen, andere legen sie erst hinein, wenn es schon kräftig kocht und dampft. Ich habe beides versucht und war mit der "Erst über kochendes Wasser legen"-Methode zufriedener.

Zwei Dinge sind wichtig. Erstens: Setzen Sie die Knödel unbedingt auf kleine Stücke Backpapier, sonst kriegen Sie sie nicht vom Dämpfer.


Foto: Tobias Müller

Und zweitens, packen Sie ein Geschirrtuch (oder sonstiges Stück Stoff) zwischen Deckel und obersten Dämpfer: Das saugt die Wassertropfen oben auf und verhindert, dass sie auf den Teig fallen, was ihm mitunter hässliche Flecken und eine weniger gleichmäßige Oberfläche verleiht (siehe diverse Fotos). Wenn alles gutgeht, hat Ihr Dampfbrot nachher eine transparente, dünne Haut über dem flauschigen Körper, den Dampfbrotfans mitunter separat genießen.

Foto: Tobias Müller

Dämpfen Sie ihre Baozis zwölf Minute, dann drehen Sie die Hitze ab und lassen sie weitere drei Minuten im geschlossenen Dämpfer rasten, die Cool-Down-Phase, die verhindern soll, dass sie nach dem Dämpfen zusammenfallen. Ich gestehe, ich war zu feig und hungrig, um auszuprobieren, ob das wirklich nötig ist.

Voilá: Gratuliere zu Ihrem ersten und ziemlich sicher nicht letzten Dampfbrot!

Foto: Tobias Müller

Die Füllung

Wer klassisches, prächtig-rotes Char Siu machen will, der findet hier die Anleitung dazu. Ich habe mit den Resten einer gebratenen Stelze und einer hausgemachten Sauce improvisiert und war höchst zufrieden.

Foto: Tobias Müller

Frühlingszwiebel oder Lauch und Ingwer fein hacken und kurz im Schmalz braten. Mit einem kräftigen Schuss Shaoxing-Wein ablöschen und einkochen lassen. Etwaige (gelierte) Säfte der Stelze, ein, zwei Esslöffel Sojasauce und ein, zwei Esslöffel Honig zugeben, aufkochen und köcheln, bis es eindickt, etwa eine Minute.

Fleischreste klein schneiden und in der Sauce heiß werden lassen. Mit dem Kochlöffel zerdrücken, sodass sie ein wenig zerfallen. Vor dem Füllen auf Zimmertemperatur oder kälter auskühlen lassen – das macht das Arbeiten deutlich einfacher.

Geht ganz bestimmt auch mit Lamm. War furchtbar einfach und eines der besten Dinge, die ich in den vergangenen Monaten gekocht habe.

Schnellfassung ohne Erklärungen

20 Gramm Butter

20 Gramm Zucker

150 ml Milch

1/2 Packerl Trockengerm (oder ein Kichererbsengroßes Stück frischer Germ)

1 Prise Salz

250–300 Gramm Weizenmehl, Type 700 oder ähnlich

Füllung nach Wahl (optional)

Butter schmelzen, Zucker einrühren, kalte Milch zugießen, und Germ darin auflösen. Zehn Minuten stehen lassen.

Mit Salz und Mehl zu einem geschmeidigen Teig arbeiten, etwa zehn Minuten.

Eine Stunde zugedeckt gehen lassen, einmal durchkneten, und weitere 30 Minuten zugedeckt rasten lassen.

Zu Mantou oder Baozi formen, auf kleine Stücke Backpapier setzen, und die Knödel erneut 30 Minuten zugedeckt rasten lassen.

Wasser in oder unter einem Dämpfer zum Kochen bringen. Brot darin zwölf Minuten dämpfen, dann Hitze abschalten und drei Minuten rasten lassen.

Noch heiß genießen. (Tobias Müller, 13.4.2020)

Fußnote: Zwei der besten Dinge, die ich je essen durfte, waren Dampfbrote. Das erste war ein Char Siu Bao im Imperial Treasure in Schanghai, einem Zwei-Sterne-Restaurant, in dem zu viel Geld gekommene Chinesen gern teure Meeresfrüchte speisen, das aber daneben ein unverschämt günstiges und fantastisches Dim-Sum-Menü anbietet. Wenn Sie in der Stadt sind und es den Laden noch gibt, gehen Sie unbedingt dahin! Das zweite war ein Dampfbrot mit Eier-Custard in Taipeh. Ich träume heute noch davon, wird vielleicht einmal eine eigene Geschichte.