Konkurrenzlos: Im Frankfurter Städel-Museum harmonieren Digitales und Analoges längst miteinander.
Foto: Städel-Museum / Andreas Reeg

Dass die krisengebeutelten Kunsteinrichtungen in den letzten Wochen digital aufrüsteten, wurde ausgiebig berichtet. Kunstkalender kündigten die neuen Formate munter an, und die Feuilletons ordneten sie ein. "Kultur auf der Couch", hieß es anfangs euphorisch. Doch auf das Lob folgte prompt Kritik.

"Hört auf zu streamen", titelte der Falter. Der Kunstkritiker Jörg Heiser bezeichnete Auftritte von Kunsteinrichtungen im Deutschlandfunk als "Verzweiflungstat". Man solle doch lieber ein Buch lesen, anstatt eine Online-Ausstellung zu besuchen. Andere Kritiker meinten, bei den virtuellen Angeboten gehe es nicht um Inhalte, sondern um Unterhaltung – zu optimistisch sei der Tonfall dort.

Die Faz schreibt, dass die Aura eines echten Kunstwerks nicht ersetzbar sei. Heiser zog den Vergleich: "Statt ins Restaurant zu gehen, schaue ich mir Bilder von schön gekochtem Essen an." Der Leiter des ZKM in Karlsruhe, Peter Weibel, prognostizierte hingegen, dass die Kultur "nun endgültig in der digitalen Welt angekommen" sei, reale Besuche würden sich somit erübrigen.

Global und divers

"Es geht hier um keine Entweder-oder-Frage", ist sich Wolfgang Schreiner von Nous Digital sicher. Seine Agentur entwirft digitale Angebote für Museen, darunter das Jüdische Museum, das Mumok oder das Mak in Wien. Es sei ein Irrtum zu glauben, dass Menschen bei mehr Online-Angebot nicht mehr ins Museum gehen würden, sagt er. Die Vermittlung über soziale Medien biete dazu eine einfache und billige Möglichkeit, potenzielle Besucher mit digitalem Content außerhalb der Kunsteinrichtung anzusprechen.

Das Metropolitan Museum in New York wird jährlich von etwa sieben Millionen Menschen besucht, ganze 35 Millionen erreicht es aber online. Direktor Max Hollein sieht Museen hier in der Verantwortung. "Die digitale Verbreitung und die globale Erreichbarkeit der Inhalte sind eine fundamentale Notwendigkeit." Erst so könne ein globales und diverses Publikum adressiert werden.

Hierzulande braucht es mehr Mut

Österreichs Museumsszene sei generell zögerlicher, neue Formate auszuprobieren, sagt Schreiner, obwohl er großes Potenzial sehe. Aktuell sei die Nachfrage im Ausland definitiv größer. "Hierzulande müsste man sich mehr trauen", sagt er. Zu viel sei man noch im Analogen verhaftet. Schreiner hofft, dass die aktuelle Situation dafür genutzt wird, das Online-Angebot aufzurüsten. Auch für die Zeit nach der Krise.

Dies versuchen österreichische Kunsteinrichtungen in den letzten Wochen zu tun. Teilweise noch zaghaft, dennoch ist eine Bewegung spürbar. Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums Wien, sagte bereits voraus, dass sich die Museen durch die Corona-Krise verändern werden. Und auch der designierte Geschäftsführer der Oberösterreichischen Landes-Kultur GmbH, Alfred Weidinger, sieht hier eine digitale Chance.

Jeden Tag kommen neue Angebote dazu. Soziale Medien werden vermehrt genutzt, um Inhalte zu vermitteln und diese nicht nur zu vermarkten. Ausstellungsausschnitte werden geteilt, Kooperationen mit anderen Plattformen organisiert, Videos und Interviews veröffentlicht oder verwaiste Youtube-Channels zum Leben erweckt. Diese Einblicke teasern Ausstellungen kurzweilig an und können so spätere Besuche schmackhaft machen. Eine Win-win-Situation?

Zugang durch virtuelle Welt

International stechen jene Häuser hervor, deren digitale Angebote schon vor der Krise als wegweisend galten. Diese bauen ihre Formate jetzt noch weiter aus. Die Schlagworte: Virtual und Augmented Reality sowie künstliche Intelligenz. Der Großteil der Einrichtungen musste sich aber erst aufrappeln und Neues ausdenken. Dort wirken die meisten Auftritte noch unbeholfen, etwas altmodisch oder sehr experimentell. Aber sollten die Versuche, Online-Formate und den Museumsbetrieb mehr und mehr miteinander zu verzahnen, nicht als positiv gewertet werden?

Der Madrider Prado beispielsweise kann seit seiner Schließung im März einen Online-Besucherrekord verzeichnen. Auf dem Instagram-Account des Museums führen neben Experten nun auch andere Museumsmitarbeiter, wie Saalaufseher, durch die Ausstellungen. Sie vermitteln Kunst mit einem anderen Blick und können so vielleicht Menschen erreichen, die keinen klassischen Zugang finden. Die Videos erreichen teilweise mehr als 100.000 Besucher täglich. Könnte dies ein adaptierbares Zusatzmodell für den – realen – Museumsbetrieb sein? (Katharina Rustler, 11.4.2020)