Millionen Menschen quer durch Europa verbinden Ostern mit dem Begriff Hoffnung. In diesen Tagen geht es dabei aber nicht bloß um religiöse Heilsvorstellungen und Traditionen, sondern um viel konkretere und profanere Erwartungen.

Die Christen mögen ihren Glauben an die Auferstehung nach dem Tod feiern, die Juden zu Pessach die biblische Befreiung aus der Sklaverei in Ägypten. Alle Europäer jedoch – Gläubige wie Ungläubige – müssen sich nun fragen: Wie verhindern wir das massenhafte Sterben vor allem alter Leute? Wie befreien wir uns nachhaltig von dieser Coronavirus-Pandemie?

Und: Wie geht es mit uns allen im realen Leben weiter, nachdem die Maßnahmen gegen die Verbreitung der Krankheit inzwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Schulen großteils zum Stillstand gebracht haben?

So unterschiedlich die einzelnen Regierungen der EU-Mitgliedsländer auch reagieren und so stark sie zunächst fast ganz auf nationale Lösungen gesetzt haben, so sehr nährten sie von Anfang an eine Hoffnung: Um Ostern herum werde man vielleicht über erste Erleichterungen entscheiden können.

Gesperrte Grenze zwischen Bayern und Salzburg.
Foto: imago/SKATA

Dieser Moment ist nun da. Das ernüchternde Ergebnis: Von "Auferstehung", wie Kanzler Sebastian Kurz seinen Landsleuten in Aussicht gestellt hat, kann keine Rede sein, obwohl Österreich im Vergleich mit Partnerstaaten gute Zahlen und eine günstige Prognose aufweist. Die weitere Entwicklung hierzulande entscheidet sich aber ohnehin in den großen EU-Nachbarländern, mit denen Österreich auf Gedeih und Verderb verbunden ist.

Intelligente und komplexe Lösungen

Das Beispiel der Grenzkontrollen und -schließungen, die überall in der ersten Panik aus dem Boden sprossen, zeigt das auf absurde Weise: Man schützt sich trotz des Binnenmarkts vor EU-"Ausländern", es fehlen dann aber plötzlich zehntausende Pflegekräfte. Oder: Die "Abwehr" von Deutschen oder Italienern an den Grenzen mag die Ausbreitung von Infektionen bremsen. Aber ohne sie wäre der Tourismus in Österreich, der mehr als ein Zehntel der Volkswirtschaft ausmacht, schwer geschädigt.

Es wird also intelligentere und komplexere Lösungen brauchen – europaweit. Bei aller Vorsicht, weil Wissenschaft wie Politik bei Corona in vielem nach wie vor im Dunkeln tappen, lassen sich zumindest erste Tendenzen erkennen, wohin die Reise geht. Wer gehofft hat, dass diese Katastrophe vor dem Sommer wieder vorbei sein könnte, hat sich getäuscht.

Dass das Coronavirus besiegt sei, behauptet bisher nur die chinesische Führung. Aber: Bei aller bisherigen Dramatik vor allem in Italien, Spanien und zuletzt Frankreich zeichnet sich am Horizont nun doch so etwas wie ein "europäischer Weg" ab. Fehlte es im März noch an jeglicher Solidarität zwischen den Staaten – nicht zuletzt, weil es in den Gemeinschaftsverträgen keine EU-Zuständigkeit im Gesundheitsbereich gibt –, so hat sich das inzwischen geändert. Man beginnt nun, einander auszuhelfen.

Die erste Phase des nur nationalen Handelns ist vorbei. In den Hauptstädten und in der EU-Kommission stellt man sich bereits auf Phase zwei ein: Das Coronavirus wird uns noch lange begleiten. Wir müssen daher damit beginnen, den Neustart des Wirtschaftslebens anzugehen und gleichzeitig die Schutzmaßnahmen EU-weit zu koordinieren und abzustimmen. Die rasche Einigung der EU-Finanzminister auf ein 500-Milliarden-Hilfspaket ist ein erster Schritt. Wir müssen gemeinsam mit Corona leben – und arbeiten. (Thomas Mayer, 10.4.2020)