Die Szene war fast schon herzzerreißend: Der kleine Emil, sechs Jahre alt, fragte am Donnerstagabend in der ORF-1-Fragestunde "Talk 1 spezial" den live zugeschalteten Bundeskanzler: "Hallo, Sebastian Kurz, fehlt dir deine Oma auch?" Und er erzählte detailliert, wobei ihm seine eigene Oma Hilde gerade fehlt: beim Kochen, Kartenspielen, Buchlesen ... Der Kanzler hatte für Emil leider wenig Tröstliches parat: Ja, er vermisse seine Oma auch, sagte Kurz. Aber er könne nur appellieren, noch eine Zeitlang durchzuhalten – dann werde man schon bald wieder zusammen sein können.

Wie lange "eine Zeitlang" dauern wird, wann genau man wieder zusammen sein kann, das sagte er nicht. Das kann er wahrscheinlich gar nicht – weil schwer abzuschätzen ist, wann die größte Gefahr gebannt ist. So bleibt der älteren Generation derzeit nicht viel mehr als die Versicherung der Politik, dass die derzeitigen Einschränkungen auch und vor allem ihrem Schutz dienen – und dass man sie weiter, so gut es geht, schützen wird.

Viele ältere Menschen leiden auch in normalen Zeiten unter Vereinsamung,
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Vielen Senioren ist das freilich zu vage: Geduld haben, abwarten, nicht ausflippen – das kann gerade in fortgeschrittenem Lebensalter eine beträchtliche Herausforderung sein. Viele ältere Menschen leiden auch in normalen Zeiten unter Vereinsamung, Altersdepression oder einfach dem bitteren Gefühl, von der Gesellschaft irgendwie an den Rand gedrängt worden zu sein. Der Regierung und ihren Expertenteams muss das bewusst sein – und sie muss aktiv nach einer Lösung dieses Problems, oder zumindest nach Erleichterungen, suchen.

Eine besondere Herausforderung ist es, die Lage der Menschen in Alten- und Pflegeheimen zu verbessern. Knapp vor der Krise, Anfang März, gab die Volksanwaltschaft nach einer gründlichen Untersuchung bekannt, dass es in Österreichs Heimen vielfach zu Menschenrechtsverletzungen komme, dass der Umgang mit teils hilflosen Seniorinnen und Senioren oft zu wünschen übrig lasse. Schon bisher waren unzulässige Freiheitsbeschränkungen ein Problem. Die Isolierung hat nun noch zugenommen, Kontrollen von außen, ob sie auch rechtens und zu Recht erfolgen, sind derzeit nicht möglich. Dieses Problem ist übrigens kein spezifisch österreichisches: Es wäre durchaus wert, auf europäischer Ebene diskutiert und gelöst zu werden.

Genauso wie Unternehmerinnen und Unternehmer oder gestresste Mütter und Väter zwischen Homeoffice und Homeschooling brauchen auch Österreichs Senioren langsam eine Perspektive: Wann genau kann ich meine Kinder und Enkelkinder wiedersehen? Wie lange gelten erhöhte Schutzvorschriften für mich – etwa so lange, bis es eine Schutzimpfung gibt? Das wäre dann eine Perspektive von mehreren Jahren und mit Sicherheit ein Schlag für ältere Leute. Dennoch, nach Ingeborg Bachmann: Die Wahrheit nämlich ist dem Menschen zumutbar – mag sie auch noch so bitter sein. Alles ist besser als nagende Ungewissheit. (Petra Stuiber, 10.4.2020)