"Dunkle Wolken am Horizont, die sich gräulich-violett verfärben. Später reißen die Wolken am Horizont auf, es werden Lichtstreifen erkennbar, und irgendwann brechen die Sonnenstrahlen durch": Vizekanzler Werner Kogler wolkig über die Lage in der "Krone".

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Lasset uns in dieser Woche mit der Lesung beginnen, mit der der Vizekanzler sie in der "Kronen Zeitung" eröffnet hat. Mit welchem Bild würden Sie beschreiben, wo wir uns gerade befinden?, bat Conny Bischofberger um regierungsösterliche Orientierung. Statt sie einfach mit der Angabe "in Quarantäne" abzuspeisen, ließ sich Werner Kogler nicht lumpen. Ein einziges Bild ist schwierig, ich denke an eine Bildsequenz. Dunkle Wolken am Horizont, die sich gräulich-violett verfärben. Später reißen die Wolken am Horizont auf, es werden Lichtstreifen erkennbar, und irgendwann brechen die Sonnenstrahlen durch. Wie weit die Entfernung vom Betrachter –also vom Vizekanzler – bis zum Horizont ist, wie viele Nebelfelder noch dazwischen liegen, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass nach den Wolken die Sonne kommt, dass es – wie der Bundespräsident gesagt hat – irgendwann vorbei sein wird.

Und wenn es der Bundespräsident gesagt hat, dann darf auch ein Vizekanzler meteorologisch abheben. Ich habe überhaupt keinen Zweifel daran, dass Österreich mit seinem gesellschaftlichen Leben und wirtschaftlichen Erfolg am Ende wieder großartig auferstehen wird. Von einer großartigen Vermögenssteuer hat er der "Krone" nichts verraten, wofür sich die Interviewerin mit dem Kompliment bedankte: Mit einer bewusst ungelenk dargebotenen Verbeugung als Begrüßung erinnert er ein wenig an den Prinzen im "Schwanensee".

"Absurde Hysterie": Wailand vs. Kapsch

Weniger schmeichelhaft kam bei Georg Wailand der Präsident der Industriellenvereinigung weg. Hatte Georg Kapsch es doch gewagt, die Lobhudelei des Blattes für den Bundeskanzler durch maßvolles Hinterfragen der Regierungsmaßnahmen gegen das Coronavirus zu relativieren. Was hat den Industriellenpräsidenten geritten, als er in einem "Standard"-Interview nachlegte. Da sprach er von einer "absurden Hysterie", die es in Österreich gäbe, und dass er nicht von größeren Schäden für die Wirtschaft ausgehe, eine kleine Delle, na und?

Diese Einschätzung ist von "absurder Hysterie" so weit entfernt, dass sie, wie zu befürchten ist, als verharmlosende Fehleinschätzung durchgehen kann. Was aber den Wirtschaftsredakteur gar nicht interessierte. Sorry, Mister President, lenkte er vom Kanzleridol seiner Zeitung ab, die Österreicher haben mit Disziplin und Hausverstand gegen die Seuche gekämpft, die "absurde Hysterie" ist Ihnen vorbehalten geblieben. Dabei hatte Kapsch nur die "absurde Hysterie" der Regierung gemeint.

Kickls Horror vor Horror-Szenarien

Eine Wandlung beinahe bis zur Regierungsfähigkeit ist am verflossenen Innenminister zu verzeichnen. In "Österreich" flehte Herbert Kickl den Bundeskanzler an: "Bitte keine Horror-Szenarien mehr!" Dabei waren die grausigsten Arien, die er als Amtsträger in Endlosschleife gesungen hat, Horror-Szenarien. Hunderttausend Flüchtlinge, die zwecks Umvolkung über Österreich hereinbrechen, gehörten einst zu seinen täglichen Gesangsübungen. Und heute? Es bringt überhaupt nichts, wenn er – Kurz – von Hunderttausenden Toten spricht, die möglich wären, und damit die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzt.

Wobei man ihm zugutehalten kann, dass er an seine Hunderttausend ebenso wenig geglaubt hat wie Kurz an die seinen. Und als wollte er die Peinlichkeit seiner Zeit als Innenminister aus dem Gedächtnis der Österreicher löschen, sagt er jetzt, "gut für die Demokratie" sei es, dass es die verpflichtende Corona-App nicht geben wird.

Wenn man so was macht, dann heißt das im Klartext, dass man den österreichischen BürgerInnen ein Misstrauen ausspricht, dass die ÖsterreicherInnen zu blöd dafür sind, selbst auf ihre Gesundheit zu schauen. Sein Tun hingegen war immer geleitet von einem tiefen Vertrauen zu den hiesigen BürgerInnen, vor allem zu deren Intelligenz, die Sinnhaftigkeit von Polizeipferden zu erkennen. Und niemand ist berufener als er, sich dafür befugt zu halten: "Wir werden genau auf Unsinnigkeiten aufpassen."

Die "Krone", der "Falter" und die "NZZ"

Von der "Kronen Zeitung" musste sich der "Falter" die renommierte Gesellschaft der "Neuen Zürcher Zeitung" vorhalten lassen. Das bekannte Schweizer Revoluzzerblatt hatte von "lammfrommer Spießigkeit" und "Staatshörigkeit" der österreichischen Bevölkerung geschrieben sowie davon, dass "der Preis der Bequemlichkeit fehlende Mitbestimmung" sei. Das konnte das hiesige Zentralorgan der Spießigkeit nicht auf den Landsleuten sitzen lassen. Es rächte sich mit der Enthüllung, die Schweiz habe mehr als 660 Tote. (Günter Traxler, 11.4.2020)