Im Herzen des Quasars 3C 279 lauert ein gigantisches Schwarzes Loch.
Illustr.: ESO/M. Kornmesser

Vor einem Jahr, am 10. April 2019, stellte eine internationale Kollaboration von Astrophysikern das erste Schattenbild eines Schwarzen Lochs der Weltöffentlichkeit vor. Gelungen ist die Aufnahme des Schwerkraftgiganten mit einer Masse von 6,6 Milliarden Sonnenmassen in der aktiven Riesengalaxie Messier 87 mithilfe des Event Horizon Telescope (EHT). Das weltumspannende Netzwerks besteht aus acht Beobachtungsinstrumenten, die am Südpol, in Chile, Mexiko, Hawaii, Arizona, Frankreich, Grönland und Spanien positioniert sind.

Plasmastrahlen in beispielloser Detailgenauigkeit

Nun ist es Wissenschaftern gelungen, den Jet eines Schwarzen Lochs mit bislang unerreichter Bildschärfe zu abzubilden. Die Fotos zeigen, wie ein Strahl aus ionisiertem Gas mit nahezu Lichtgeschwindigkeit von einem supermassereichen Schwarzen Loch im Zentrum des fernen Quasar 3C 279 ausgestoßen wird. Das internationale Team unter Leitung von Jae-Young Kim vom Bonner Max-Planck-Institut für Radioastronomie (MPIfR) untersuchte auch die Gestalt des Plasmastrahls nahe seiner Basis. In dieser Region wird vermutlich hochenergetische und variable Gammastrahlung erzeugt. Dort festgestellte Bewegungen sorgten bei den Wissenschaftern für veritable Überraschungen.

Das erste Foto eines Schwarzen Lochs im Zentrum der Riesengalaxie M 87.
Foto: APA/AFP/ESO

Als die EHT-Kollaboration im April 2017 das Schwarze Loch im Zentrum der Galaxie M87 beobachtete, nahm sie auch einige andere Objekte ins Visier. Dazu zählte 3C 279, eine Galaxie in rund fünf Milliarden Lichtjahren Entfernung im Sternbild Jungfrau. Wissenschafter klassifizierten 3C 279 als Quasar (der im sichtbaren Bereich des Lichts nahezu punktförmige aktive Kern einer Galaxie) mit einer extrem kompakt und lichtstark erscheinenden Zentralquelle.

Auch im Falle von 3C 279 vermutet man, dass diese Zentralquelle ein Schwarzes Loch mit dem Milliardenfachen der Sonnenmasse ist. Ein Teil der von dem Schwarzen Loch verschlungenen Materie wird dabei in Form zweier stark gebündelter Plasmastrahlen, den sogenannten Jets, mit nahezu Lichtgeschwindigkeit nach außen geschleudert.

Die Bilder zeigen die Jetstruktur im Zentralbereich des Quasars 3C 279 mit jeweils höherer Winkelauflösung im April 2017.
Foto/Grafik: J.Y. Kim (MPIfR), Boston University Blazar Program, und Event-Horizon-Teleskop-Kollaboration

Überraschende Bilder von der verdrillten Basis der Jets

Solche Jets kennt man schon seit längerem. Besonders die Very Long Baseline Interferometry, VLBI, lieferte dabei Bilder mit höchster Detailschärfe. Die nun im Rahmen des EHT-Projekts verbundenen Teleskope konnten die bisher erreichte Bildschärfe noch deutlich übertreffen und zeigen Details, die kleiner als ein Lichtjahr sind. Damit wird es möglich, den Jet bis heran an die erwartete Akkretionsscheibe zu verfolgen und die Wechselwirkung zwischen Scheibe und Jet zu beobachten.

Wie die Forscher im Fachjournal "Astronomy & Astrophysics" berichten, zeigte sich, dass der normalerweise gerade verlaufende Jet an seiner Basis verdrillt erscheint. Darüber hinaus werden zum ersten Mal überhaupt Strukturen quer zur Jetrichtung sichtbar, die vermutlich Teile der Akkretionsscheibe sind. Vergleicht man Bilder, die an aufeinanderfolgenden Tagen aufgenommen wurden, sieht man, dass sich die Struktur verändert, vielleicht durch Einfall und Zerkleinerung von Materie auf eine rotierende Akkretionsscheibe nebst Ausstoß von Material in Form eines Jets. Ein solches Szenario kannte man bisher nur von Simulationsrechnungen.

Video: Was hat es mit den Jets mit Überlichtgeschwindigkeit auf sich?
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Bewegungen mit fast 20-facher Lichtgeschwindigkeit?

"Jedes Mal, wenn ein neues Fenster zur Erforschung des Universums geöffnet wird, kommt etwas Neues dabei heraus. Wir haben nur erwartet, mit unserer superscharfen Aufnahme den Bereich abzubilden, in dem der Jet geformt wird", sagt Jae-Young Kim. "Was wir zusätzlich beobachten konnten, ist die senkrechte Struktur. Das ist, wie wenn man eine Matroschka-Puppe nach der anderen öffnet. Man glaubt zu wissen, was in der nächsten ist, und in der kleinsten findet sich eine Überraschung".

Darüber hinaus hat es die Forscher auch erstaunt, dass die Bilder sich auf so kurzer Zeitskala ändern und zwar nicht nur entlang des Jets sondern auch quer dazu. "3C 279 war die erste bekannte astronomische Quelle, für deren Jet eine Bewegung mit scheinbarer Überlichtgeschwindigkeit nachgewiesen wurde. Und sie ist fast 50 Jahre später immer noch für Überraschungen gut" sagt Thomas Krichbaum, ebenfalls vom MPIfR, der die Beobachtungen von 3C 279 als Projektleiter konzipiert hat.

Während die scheinbare Überlichtgeschwindigkeit des Jets selbst einigermaßen gut verstanden ist, haben die Astrophysiker mit den nun beobachteten Vorgängen ihre liebe Not: "Die querverlaufenden scheinbaren Bewegungen mit fast 20-facher Lichtgeschwindigkeit können nur sehr schwer erklärt werden, vielleicht mit wandernden Stoßfronten oder aber Instabilitäten in einem gekrümmten und vielleicht rotierenden Jet", fügt Krichbaum hinzu.

Das 12m-APEX-Teleskop auf dem Chajnantor-Plateau in Chile, war an den Beobachtungen von 3C 279 beteiligt. Auf dem Bild sieht man das Holographieteam bei der Justierung der Teleskopoberfläche.
Foto: Carlos A. Durán, Europäische Südsternwarte (ESO)

Orangen vom Mond aus erkennen

Die an der Beobachtung beteiligten Teleskope wurden mit einer speziellen Technik miteinander kombiniert, der sogenannten "Very Long Baseline Interferometrie" (VLBI). Dadurch werden über die ganze Welt verteilte Einzelteleskope miteinander verbunden und zusätzlich die Rotation der Erde genutzt, um ein riesiges virtuelles Radioteleskop von der Größe der Erde zu bilden. Mit der Winkelauflösung dieses vernetzten Teleskops wäre es für einen Astronauten auf dem Mond gleichsam möglich, eine einzelne Orange auf der Erde zu identifizieren. Die Datenanalyse, mit der die Rohdaten von den beteiligten Teleskopen zu einem Bild verbunden werden, erfordert spezielle Computer, sogenannte Korrelatoren. Die hierfür eingesetzten Korrelatoren befinden sich am MPIfR in Bonn und am MIT-Haystack-Observatorium in den USA. (red, 13.4.2020)