Yves Tumor – schräger Pop.

Foto: Warp

Am Ende müssen wir ja doch die Miete zahlen. Das geht zumal im Musikgeschäft immer noch am besten, wenn halbwegs verbraucherfreundlich produziert wird. Ob das die Überlegung des Sean Bowie war, muss unbeantwortet bleiben. Doch sein Album Heaven to a Tortured Mind lässt den Schluss zu.

Bowie – der Name ist im Pop klar vergeben. Also verlegte sich der Mann aus Miami früh darauf, sich diverse Aliasse auszudenken, einer davon ist Yves Tumor. Dem hält er die Treue, der scheint nun Marke zu sein, immerhin hat er schon vier Alben damit veröffentlicht. Außerdem füttert der Name das Mysteriöse an der Figur dahinter. Die hat beschlossen, beide Geschlechter als Titel zu führen, was im Englischen nicht viel Mut erfordert. Wie alt Bowie ist, man weiß es nicht. Fest steht, dass Heaven to a Tortured Mind sein bisher eingängigstes Werk ist.

Pop – das ist immer noch die Königsdisziplin, eine ewige Versuchung. Tumor hat da einen selbstgewählten Startnachteil. Immerhin preist er die Industrial-Überväter Throbbing Gristle und deren hoffnungslose Klangstudien als wesentlichen Einfluss an. Wenig Populäreres kann man sich schwer vorstellen. Umso spannender ist es, was er daraus macht.

YvesTumorVEVO

Tumor veröffentlicht auf Warp Records. Ein britisches Qualitätslabel für Elektronik seit gut 30 Jahren. Dort ist er nicht der erste Pop-Act, doch wie alle anderen vor ihm hat Pop auf Warp einen speziellen Twist, einen Fehler.

Gequälte Seele

Daran erinnert ein Song wie Identity Trade, der klingt, als würde die Platte eiern, wäre sie verbogen, warped. Nach früheren Etüden in der Elektronik, die eher klangen, als würde Tumor den Amoklauf des Nachbarn nebenan vertonen, ist Heaven ... trotz aller vermeintlich gequälten Seelenzustände ein slickes Werk geworden.

Yves Tumor - Topic

Der zurzeit in Turin lebende Musiker hat es in Berlin und in den USA aufgenommen. Seine Einflüsse reichen vom Rock bis zur Darkwave, Hip-Hop, das vielgelittene Genre, findet man in Spurenelementen genauso wie Prince. Anders als bisher hat Tumor für Heaven … eine richtige Band beschäftigt. Auch das ist ein Indiz für einen Karriere-Move, der weg aus den Schaukästen feiner Künste wie dem Donaufestival in Richtung große Bühne geht, wo er seine Full-Contact-Shows mit bisweilen blutigen Hinterlassenschaften neu ordnen wird müssen.

Yves Tumor

Das geht also ein Stück weit auf Kosten der Kratzbürstigkeit, der spacige Funk aus dem Paralleluniversum wuchert der Namensgebung entsprechend immer noch ungesund in fast allen Songs mit. Man könnte sagen, Yves wächst künstlerisch, der Tumor metastasiert fröhlich mit. Denn fast alle Songs haben eine kränkliche Note, den schon erwähnten Fehler.

Doch anders als bisher spielt der nun nicht mehr die Hauptrolle, sondern wird in die zweite Reihe gestellt. Das lässt Heaven to a Tortured Mind spannender ausfallen, verleiht ihm eine neue Qualität, mit nur noch leichter Betonung auf der Qual. Gut so. (Karl Fluch, 14.4.2020)